GK266 - Die weiße Göttin
hinein, in dem wir uns befanden. Sie griff mit ihren schleimigen Fingern nach meinen Beinen. Vicky, Mr. Silver und ich mußten um unser Leben laufen, denn der Schlamm versuchte uns einzuholen und zu ersticken.
Keuchend hetzten wir durch die Dunkelheit.
Das Moor ständig dicht auf den Fersen. Manchmal hatte ich es schmatzend unter meinen Schuhen. Ich warf einen nervösen Blick zurück. Der Sumpf stand wie eine Wand hinter mir. Er reichte bis an die Decke, schillerte und glitzerte in Regenbogenfarben.
Ein scheußlicher Tod!
Vicky strauchelte und fiel. Sie stieß einen erschrockenen Schrei aus. Das Moor kroch über den Boden und auf sie zu. Es hüllte sie ein. Mr. Silver und ich packten blitzartig zu.
Wir rissen das Mädchen auf die Beine.
»Weiter!« stieß ich keuchend hervor. »Lauf weiter, Vicky!«
»Ich kann nicht mehr!« stöhnte mein Mädchen. »Ich bin mit meinen Kräften am Ende.«
Sie durfte nicht stehenbleiben. Es war keine Zeit, zu verschnaufen. Der Sumpf würde sich auf sie stürzen, würde sie niederdrücken, würde ihr in Mund und Nase kriechen, würde sie unter sich erbarmungslos begraben.
Mr. Silver ergriff Vicky und lud sie sich hastig auf die Schultern. Er eilte mit schweren, stampfenden Schritten weiter.
Der unterirdische Gang gabelte sich. Mr. Silver wählte mit absoluter Sicherheit den linken Gang. Glucksend und patschend folgte uns die breiige Masse. Ich war ziemlich ausgepumpt, doch ich gönnte mir keine Pause, denn wenn mir das Moor erst einmal bis an die Knie reichte, würde ich nur noch halb so schnell vorwärtskommen. Außerdem würde jeder Schritt doppelt so kräfteraubend sein. Man kann sich an den Fingern abzählen, wie viele Minuten ich dann noch durchgehalten hätte.
Mr. Silver machte mich auf das Grau in der Ferne aufmerksam. Es war Tageslicht. Wir beschleunigten unser Tempo. Der Gang stieg nun steil an. Ich schnaufte, während Mr. Silver die Steigung scheinbar mühelos schaffte.
Heller, immer heller wurde es um uns herum.
Der Schlamm folgte uns immer noch, aber wir brauchten ihn nicht mehr zu fürchten.
Gleich würden wir es geschafft haben.
Gleich!
Nur noch wenige Meter. Wir legten sie mit langen Sätzen zurück – und dann hatten wir es geschafft. Mr. Silver stellte Vicky ab. Mangobäume umgaben uns. Wir blickten uns um. Das Moor kroch bis ans Ende des Ganges, füllte diesen vollkommen aus, erstarrte an seiner Oberfläche und verband sich mit dem Erdreich zu festem Boden.
Es gab ihn nicht mehr, den Schlupfwinkel der Kaiman-Bande.
Wir atmeten erleichtert auf.
***
Nachdem wir unsere Kleider halbwegs gesäubert hatten, machten wir uns auf den Weg nach Mombasa. Hinter dem Mangowald gab es eine schmale, kaum befahrene Straße.
»Gepäck weg, Kaimane, die uns beinahe zerfetzt hätten, und jetzt auch noch ein Fußmarsch!« ächzte Vicky.
»Es war deine Idee, hierherzukommen«, erinnerte ich meine Freundin.
»Du wolltest die weiße Göttin sehen.«
»Ich habe nicht geahnt, daß das mit so großen Strapazen verbunden sein würde.«
»Ging bei uns schon jemals etwas glatt?« fragte Mr. Silver grinsend. Der Hüne war nicht aus der Ruhe zu bringen. »Wir erreichen unsere Ziele doch immer erst, nachdem wir eine Menge Hürden genommen haben. Langsam solltest du dich daran gewöhnen.«
Vicky hinkte. »Ich kriege Blasen an den Füßen.«
»Soll ich dich wieder tragen?« fragte der Ex-Dämon lächelnd.
Vicky schüttelte den Kopf. Sie zog ihre Schuhe aus und ging barfuß weiter. »Jetzt ist es besser«, sagte sie seufzend.
Ein Lkw kam die Straße entlanggebrummt. Er hätte uns überfahren müssen, wenn er nicht stehenbleiben wollte. Wir bildeten eine Kette. Vicky in der Mitte. Ich rechts von ihr. Mr. Silver links. Wir winkten, und der Neger am Steuer trat zum Glück rechtzeitig auf die Bremse.
Er steckte seinen schwarzen Kopf zum Seitenfenster hinaus und musterte uns mißtrauisch.
»Fahren Sie nach Mombasa?« fragte ich ihn.
»Ja.«
»Nehmen Sie uns mit?«
»Meinetwegen. Hinten auf der Ladefläche.«
Wir gingen nach hinten und stiegen auf. Ich war erst mit einem Bein oben, da fuhr der Laster bereits wieder. Mr. Silver hievte mich hoch. Ich setzte mich neben Vicky auf eine Kiste. Mein Freund und Kampfgefährte blieb stehen. Der Wind zerzauste die Silberfäden auf seinem Kopf.
Wir sprachen über den Taxifahrer und was aus unserem Gepäck geworden war. Wir überlegten, wie wir den Mann wiederfinden konnten, und während wir noch diskutierten, erreichten wir
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