GK266 - Die weiße Göttin
dieses Netzes richtest du auch mit deinem Ring nichts aus«, sagte Mr. Silver knurrend, und ich sah zum erstenmal bedrohlich schwarze, unheilvolle Wolken für uns am Horizont aufziehen.
***
Vicky Bonney kreiselte herum und begann zu laufen. Die Neger setzten ihr sofort nach. Das schnelle Mädchen sprang wie eine Gazelle über alle Hindernisse. Sie stürzte sich in den Mangrovenwald. Zweige klatschten ihr ins hübsche Gesicht. Dornen zerkratzten ihre Haut.
Sie lief, lief, lief.
Hinter sich hörte sie die beiden Neger durch das Dickicht stampfen. Die Männer preschten kraftvoll durch das Unterholz. Vicky warf einen schnellen Blick zurück.
Nur noch ein Mann war hinter ihr. Der zweite versuchte, ihr den Fluchtweg abzuschneiden. Wie ein Hase schlug sie blitzartig einen Haken, änderte die Richtung, lief immer tiefer in den Mangrovenwald hinein.
Ihre Lungen arbeiteten wie Blasebälge.
Ihr Herz trommelte wie verrückt gegen die Rippen. Der Puls raste. Sie gönnte sich keine Ruhe. Schweiß brannte in ihren Augen.
Der kräftige Neger, der ihr folgte, holte auf. Vicky war zwar eine hervorragende Kurzstreckenläuferin, doch auf längeren Distanzen blieb ihr die Luft weg. Pfeifend kam der Atem aus ihrem Mund.
Sollte sie bis zum Umfallen laufen, oder stehenbleiben und sich stellen?
Sie blieb schwer atmend stehen. Ihr Mund war staubtrocken. Ihre fiebernden Augen suchten nach einer Waffe. Sie entdeckte einen armdicken Ast und hob ihn hastig auf.
Der Neger näherte sich ihr mit vorsichtigen Schritten.
Noch befand er sich außer Reichweite. Vicky bebte. Sie hatte den Ast zum Schlag erhoben, und sie war entschlossen, zuzuschlagen, wenn der Kerl noch einen Schritt näher kam.
Er belauerte sie wie ein Tiger die Beute.
Und dann sprang er sie an. Sie schlug zu. Er nahm den Kopf zur Seite. Der Ast schrammte über seinen Schädel und landete auf der Schulter. Sein Körper prallte gegen sie und stieß sie um. Er preßte sie auf den Boden nieder. Sie bekam nicht genug Luft, hatte das Gefühl, zu ersticken. Die Panik verlieh ihr neue Kräfte.
Es gelang ihr, sich von dem Schwarzen zu befreien und wieder auf die Beine zu kommen.
Augenblicklich warf sie sich herum.
Aber sie kam nur drei Schritte weit. Dann prallte sie gegen den breiten Brustkorb des zweiten Negers – und diesmal gab es für sie kein Entrinnen mehr.
***
Die beiden Schwarzen, die plötzlich aus der Versenkung auftauchten, trugen Leinenhosen und sonst nichts. Es waren die Kerle, die Mr. Silver und mich gefangen hatten. Ich sah den Kaiman auf ihrer Brust, der das Maul weit aufgerissen hatte.
Der Mann, der auf mich zukam, nannte sich Birunga. Hohn glitzerte in seinen dunklen Augen. Er genoß diesen Triumph.
»Ich habe schon viel von dir gehört, Ballard!« sagte er spöttisch zu mir.
»Hoffentlich nur Gutes«, gab ich sarkastisch zurück.
»Du hast viele unserer Brüder und Schwestern getötet.«
»Sie haben es alle verdient.«
»Ihr Tod schreit nach Rache«, fuhr Birunga unbeirrt fort. »Du wirst einen schrecklichen Tod sterben, Dämonenhasser! All die Leiden, die du unseren Brüdern und Schwestern zugefügt hast, kriegst du heute wieder.«
Seine Brustmuskeln zuckten. Es sah aus, als würde sich der tätowierte Kaiman bewegen.
»Werde ich gefesselt sterben?« fragte ich Birunga furchtlos. »Oder hast du den Mut, Mann gegen Mann anzutreten?«
Birunga grinste. »Ich weiß, wie gefährlich du bist, Ballard. Deshalb werde ich dir die Fesseln nicht abnehmen.«
»Feigling«, sagte ich verächtlich.
»Du kannst mich nicht beleidigen. Was für mich zählt, ist, daß du bald tot sein wirst. Die Hölle wird ein Freudenfest veranstalten. Asmodis wird meine Leistungen zu würdigen wissen. Es wäre zu riskant, es auf eine Kraftprobe ankommen zu lassen. Ich möchte nicht, daß du mir im allerletzten Augenblick noch entwischst. Deshalb wirst du gefesselt sterben. Genau wie dein Freund, der abtrünnige Dämon, Mr. Silver.«
Ich vernahm harte Schritte und hörte das Schluchzen eines Mädchens.
Vicky! schoß es mir durch den Kopf.
Das Mädchen ist mein einziger wunder Punkt.
Es war mir egal, was mit mir geschehen würde. Ich war bereit, alles auf mich zu nehmen. Schließlich wußte ich von Anfang an, worauf ich mich einließ, als ich den Dämonen den Kampf ansagte. Ich konnte alles ertragen, nur eines nicht: Vicky in Gefahr zu wissen. Das machte mich wahnsinnig.
Ich zerrte wild an meinen Fesseln.
Sie brachten meine Freundin und legten sie neben mich.
»Tony!«
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