GK283 - In den Katakomben von Wien
ihrem Kopf. Mach schnell!
Sie lief zur Tür, lauschte. Takay sang unter der Brause. Sie öffnete die Tür und betrat gleich darauf das Wohnzimmer. Dort lag der magische Kristall. Er schien milchig zu schimmern.
Liselotte leckte sich aufgeregt die Lippen. Sie zögerte einen Moment. Eine innere Stimme warnte sie, den magischen Kristall zu berühren. Aber sie mußte es tun.
Sie hatte keine andere Wahl. Wenn Istvan Takay im Besitz dieses Kristalls blieb, dann waren die Folgen nicht auszudenken. Bernd sollte am Leben bleiben. Ihm durfte nichts geschehen.
Er war ein lieber, guter, fürsorglicher Mensch. Arbeitsam und strebsam war er. Kein Taugenichts wie Takay, der sich durch einen Doppelmord bereichern wollte. Er mußte sie behext haben. Anders konnte sich Liselotte nicht erklären, warum sie auf ihn hereingefallen war.
Sie war froh, daß sie gerade noch rechtzeitig zu sich gekommen war. Es war gewissermaßen fünf vor zwölf. Die Zeit reichte gerade noch, um auf diesem schrecklichen Irrweg umzukehren.
Hastig lief die junge Frau auf den magischen Kristall zu. Plötzlich rauschte die Dusche nicht mehr. Liselotte blieb vor Schreck das Herz fast stehen. Gleich würde Istvan kommen. Wenn sie den Kristall bis dahin nicht an sich gebracht hatte…
Da war er schon. Die Tür schwang auf. Er trat ein, trug einen honigfarbenen Bademantel. An seinem Hals glitzerten noch die Wassertropfen. Das Haar klebte frisch gekämmt auf seinem Kopf.
Liselotte zuckte bestürzt herum. Aus. Sie hatte es nicht geschafft. Ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Sie hoffte, daß Istvan ihre Absicht nicht durchschaute.
Liebe Güte, was würde er mit ihr in einem solchen Fall tun?
»Du duschst nicht?« fragte er träge. »Nein«, antwortete sie heiser. »Ich mag nicht.«
Er wies auf einen Stuhl. »Setz dich. Ich möchte dir etwas zeigen.«
»Was?«
»Setz dich erst einmal.«
Zögernd ließ sie sich auf den Stuhl nieder. Ihre Bewegungen kamen ihr hölzern vor. Istvan mußte das doch auffallen. Er sagte aber nichts, sondern setzte sich ihr gegenüber.
Zwischen ihnen befand sich der magische Kristall. Liselotte hatte nicht den Mut, ihn zu betrachten. Alles Unheil dieser Welt steckte in ihm. Ballard und Silver mußten davon erfahren, und sie mußten ihn so schnell wie möglich vernichten, ehe es zur Katastrophe kam.
»Willst du wissen, wo Arik Speer steckt?« fragte der Ungar mit einem triumphierenden Blitzen in den Augen.
Sie wollte nein sagen, wollte es ihm ins Gesicht schreien, doch sie sagte leise: »Ja.« Und sie erschrak über diese Antwort.
Takay nickte. »Konzentriere dich auf den Kristall.« Der Ungar schloß die Augen. Wieder glaubte die junge Frau, hinter seinen bleichen Zügen jene eklige Fratze sehen zu können.
Wieder war die Vision so schnell vorbei, daß man sie auch als Sinnestäuschung abtun konnte. Widerstrebend betrachtete Liselotte den magischen Kristall, der sich mit einer hellen Haut zu überziehen schien.
Istvan darf nicht Verdacht schöpfen! pochte es in Liselottes Kopf. Du mußt ihn täuschen. Vielleicht bietet sich eine andere Gelegenheit, den Kristall zu stehlen…
Das magische Ding wurde zu einem Mini-Projektor, über den scharfe Bilder liefen. Liselotte erschrak, als sie ihr Haus sah. Im Wohnzimmer saßen Bernd, Vladek und Mr. Silver.
»Ballard ist zu Olga gefahren«, sagte Takay.
»Und wo ist…?«
»Nur Geduld. Du wirst ihn gleich sehen«, sagte der Ungar.
Es folgte ein neuer Blickwinkel. Eine andere Perspektive. Ein anderer Raum: die Garage. In einer finsteren Ecke stand ein milchig leuchtendes Skelett. Reglos. Als befände sich kein Funken Leben in ihm.
»Das ist er. Das ist mein Killer«, sagte Istvan Takay stolz.
Liselotte schauderte. Der Mörder befand sich bereits in Bernds Nähe. Wie sollte sie ihrem Mann da noch beistehen? War Bernd denn überhaupt noch zu retten?
»Speer wartet nur noch auf die Dunkelheit, denn sie verleiht ihm zusätzliche Kräfte«, sagte Takay hart.
»Und dann…«, seufzte Liselotte.
»Dann schlägt er zu. Weder Vladek Rodensky noch Mr. Silver werden es verhindern können.«
***
»Verdammt!« sagte Mr. Silver ärgerlich.
Vladek Rodensky drehte den Kopf in seine Richtung. »Was hast du denn?«
Der Hüne mit den Silberhaaren wies auf sein Hemd, das er mit Sherry bekleckert hatte. »Das habe ich. Einen Mordsfleck auf der Brust.«
Der Brillenfabrikant schmunzelte. »Da sieht man’s wieder mal: auch das Trinken will gelernt sein.«
Der Ex-Dämon ignorierte
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