GK317 - Das zweite Leben der Marsha C.
dich!«
»Du bist ein elender Feigling. Ich verachte dich, Howard Hire!«
Hire sprang vorwärts.
Laura schlug sofort zu. Er nahm den Kopf blitzschnell zur Seite. Der Schuh streifte sein Ohr. Der Schmerz war höllisch.
Hire packte seine Frau, umklammerte sie mit beiden Armen, riß sie hoch und trug sie aus dem Living-room.
Sie schrie, kratzte ihn und versuchte, ihn zu beißen. Sie trat nach seinen Beinen.
»Miststück! Strolch! Gangster!« beschimpfte sie ihn.
Er ließ sie los, kehrte ins Wohnzimmer zurück und schloß die Tür hastig ab. Laura Hire hämmerte mit ihren Fäusten wütend gegen die Tür.
»Bastard!« kreischte sie. »Ich könnte dich erwürgen! Mach auf! Mach sofort auf!«
»Ich denke nicht daran!« erwiderte Howard Hire. Er setzte sich wieder in seinen Fernsehsessel, stellte den Ton mittels Fernbedienung etwas lauter und kümmerte sich nicht mehr um das Gezeter seiner rasenden Frau.
Laura Hires Wutanfall ging bald zu Ende. Mit trotziger Miene begab sie sich ins Obergeschoß. Das Schwarz-Weiß-Gerät schaltete sie aus Protest nicht ein. Zornig ließ sie sich auf ihr Bett fallen.
Plötzlich beschlich sie ein unangenehmes Gefühl.
Angst war das.
Sie hatte noch keine Ahnung, wovor sie sich fürchtete. Aber irgend etwas stimmte hier nicht.
Laura Hire fühlte sich bedroht. Gefahr! signalisierte ihr ihr sechster Sinn. Sie hob verwirrt den Kopf.
Ihr Blick wanderte wie von selbst zum Fenster.
Mit einemmal war ihr, als würde eine Eishand ihr Herz umschließen. Ein heiserer Schrei entrang sich ihrer Kehle, die von der Angst zugeschnürt war.
Was sie sah, war grauenvoll.
Auf dem Glas des Fensters klebte ein Gesicht. Die linke Hälfte war so schön und so rein wie die eines Engels. Doch die rechte Hälfte sah aus wie eine entsetzliche Horrormaske.
Laura sprang vom Bett und wich vor dieser furchterregenden Erscheinung zurück. Ihre Augen waren schreckgeweitet.
Sie begann zu zittern.
Wie ein Farbfoto klebte das Gesicht an der Fensterscheibe. Aber es handelte sich um kein Foto, denn die Augen bewegten sich.
Sie folgten Laura Hire. Eine heiße Welle schoß der schwarzhaarigen Frau in den Kopf. Sie stieß mit dem Rücken gegen die Wand, konnte nicht mehr weiter zurückweichen.
Ein dicker Kloß schien in ihrem Hals zu stecken.
Verzweifelt versuchte sie ihn hinunterzuschlucken, doch es gelang ihr nicht. Sie dachte an Howard, und sie wollte ihn zu Hilfe rufen.
Aber kein Ton kam aus ihrem Mund. Gebannt starrte sie das unheimliche Gesicht an. Das »Foto« bewegte sich plötzlich.
Die Ränder lösten sich vom Glas.
Das schreckliche Gesicht hob vom Fenster innerhalb weniger Augenblicke ab und schwebte durch den Raum. Fassungslos verfolgte Laura Hire dieses spukhafte Schauspiel.
Ihr Herz schlug hoch oben im Hals.
Panik verzerrte ihre Züge.
Sie versuchte abermals, ihren Mann zu rufen, doch sie blieb wieder stumm. Dieses Gesicht, das auf sie zukam, verhinderte den Schrei.
Laura befürchtete, vor Angst den Verstand zu verlieren. Das Gesicht grinste diabolisch. Zwei Yards war es nur noch von Laura Hire entfernt.
Unaufhaltsam kam es näher.
Laura wollte abwehrend die Hände heben, doch ihre Arme gehorchten ihr nicht. Sie konnte nicht schreien, konnte nicht fliehen, konnte sich nicht einmal fallen lassen.
Sie war gezwungen, einfach geschehen zu lassen, was geschah.
Ganz knapp vor ihren Augen schwebte das Gesicht nun schon. In der nächsten Sekunde legte sich das »Horrorbild« wie ein nasser, kalter Lappen auf Laura Hires Gesicht.
Marsha Caans Antlitz drang der Frau in die Poren. Es versickerte darin. Laura Hire war von diesem Augenblick an nicht mehr sie selbst.
Sie war zu Marsha Caan geworden.
Der Engel des Todes brauchte diese Tarnung. Sie gehörte zu seinem Plan, den er Zug um Zug auszuführen beabsichtigte.
***
Frank Esslin saß vor der Tür jenes Zimmers, in dem Glenn Gibbon lag, auf einem Stuhl. Vor zwei Minuten hatte Frank einen Blick in den Raum geworfen. Gibbon schlief bereits. Das Schlafmittel hatte zu wirken begonnen.
In Franks Gürtel steckte Tony Ballards Colt Diamondback, der mit geweihten Silberkugeln geladen war.
Eine Waffe, die Marsha Caan auf jeden Fall zu fürchten hatte. Das geweihte Silber vermochte sie nämlich zu töten.
Eine Stunde wachte Frank Esslin nun schon. In dieser Zeit hatte er acht Zigaretten geraucht. Er wußte nicht, wie er die Zeit sonst hätte totschlagen sollen.
Allmählich wurde er müde.
Der WHO-Arzt kämpfte dagegen an. Er hatte Wache. Die Augen
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