GK317 - Das zweite Leben der Marsha C.
väterlichem Ton. »Wie fühlen Sie sich heute abend?«
»Wie die eine Hälfte eines begehrten Schaustücks«, gab ich zurück. »Mr. Silver ist die zweite Hälfte. Man begafft uns, seit wir hier sind, wie zwei Wunderknaben.«
Peckinpah lachte. »Das sind eben die Schattenseiten des Erfolgs. Freuen Sie sich auf die Seychellen?«
»Ich kann nicht sagen, wie.«
»Sie kriegen selbstverständlich meinen Privatjet.«
»Das wäre nicht nötig…«
»Keine Widerrede.«
»Okay, Partner.«
Vicky schlängelte sich heran. Blond, blauäugig und unheimlich sexy. Das schönste Mädchen weit und breit. Sie schob ihre Hand unter meinen Arm und schmiegte sich an mich.
»Wie zwei Turteltauben kommt ihr mir vor«, sagte Peckinpah. »Immer in den Flitterwochen, obwohl ihr gar nicht verheiratet seid.«
Von der Terrasse kam Lance Selby herein und gesellte sich ebenfalls zu uns. Auf dem Gebiete der Parapsychologie konnte man dem großen Mann mit den gutmütigen Augen kein X für ein U vormachen.
Es fehlte nur noch Mr. Silver, dann war der »harte Kern« vollständig.
Der Hüne mit den Silberhaaren, den perlmuttfarbenen Augen und den außergewöhnlichen Fähigkeiten, die ihn zum Übermenschen machten und an die er sich in Streßsituationen erinnerte, tauchte eine Minute später auf.
In diesem Kreise fühlte ich mich am wohlsten.
Wir blieben bis weit nach Mitternacht beisammen und hatten eine schöne, amüsante Zeit miteinander.
Die Vorfreude auf den Urlaub machte uns unbekümmert. Lange schon waren wir nicht mehr so fröhlich und gelöst gewesen.
Darauf mußte einfach der Pferdefuß folgen.
Doch noch hatten wir davon keine Ahnung. Nicht im Traum dachten wir daran, daß unsere Urlaubsreise ins Wasser fallen könnte.
Es kam keinem von uns in den Sinn, daß etwas Unvorhergesehenes dazwischenkommen könnte. Wir alle trugen Scheuklappen, blickten nur nach vorn - in Richtung Nichtstun.
Aber es sollte anders kommen.
Ganz anders!
Ein Fall voller Grauen und Horror sollte auf uns zukommen. Doch das wußten wir zu dieser feuchtfröhlichen Stunde noch nicht.
Und das war gut so.
***
Als Marsha Caan aus ihrer tiefen Ohnmacht erwachte, wußte sie, daß sie sterben würde. Das junge Mädchen bäumte sich verzweifelt gegen dieses furchtbare Schicksal auf.
Doch sie fühlte, daß sie den Tod nicht von sich fernhalten konnte. Sie hatte keine Kraft mehr.
Zerschunden und zerschlagen lag sie auf der Straße. Schmerzen tobten durch ihren Körper. Sie spürte, wie das Blut aus ihrem Leib sickerte.
Und sie zitterte. Denn sie hatte Angst vor dem Sterben.
Niemand kam, um ihr zu helfen. Von Gott und der Welt verlassen, näherte sie sich ihrem Ende.
Sie weinte und war verzweifelt. Sie unternahm einen hilflosen Versuch, sich zu erheben. Doch in ihr schien nichts mehr intakt zu sein.
Ihre Glieder gehorchten ihr nicht mehr. Wie festgeklebt lag sie auf dem feuchten Asphalt. Kälte breitete sich über sie.
Ihr Atem ging stoßweise. Sie hörte ihr Herz ungestüm schlagen. Von Todesangst beflügelt. Dadurch wurde das Blut des Mädchens aber nur noch schneller aus den Wunden gepumpt.
Eine bleierne Müdigkeit senkte sich auf Marsha Caan herab.
Sie bekam ihr Ende in jeder Phase bei vollem Bewußtsein mit. Sie fragte sich, warum der Autofahrer ihr nicht geholfen hatte.
In ihrer Verzweiflung formten ihre Lippen Verwünschungen, während sie merkte, wie ihre Seele sich allmählich von der sterblichen Hülle löste.
Wenig später hauchte Marsha Caan ihre Seele mit einem langen Seufzer aus. Der unsterbliche Teil des Mädchens begab sich auf die weite Reise ins Jenseits.
Sphärenklänge begleiteten die Seele auf ihrem Weg durch Dimensionen und Parallelwelten. Zwischenreiche und Schattenwelten durchdrang sie.
Doch plötzlich wurde sie jäh gestoppt.
Marsha Caans Geist war gegen eine magische Sperre gestoßen, die er nicht zu durchdringen vermochte.
Aus der tiefblauen Nacht, die sie hier umgab, schälte sich ein glühendes Augenpaar. Es näherte sich Marsha Caans Seele.
Sobald es auf wenige Yards herangekommen war, war ein bleich schimmernder, hämisch grinsender Totenschädel zu erkennen, in dessen nachtschwarzen Augenhöhlen die Glut des Bösen leuchtete.
Rufus, der Dämon mit den vielen Gesichtern, näherte sich dem Geist des Mädchens.
»Es ist ein Jammer, nicht wahr?« sagte er. »Du warst noch so jung und mußtest dennoch schon sterben. Dabei wärst du zu retten gewesen. Aber man hat dir nicht geholfen. Man hat dich auf der Straße liegen
Weitere Kostenlose Bücher