GK334 - Im Tal der Vampire
Drohendes ging von den steil aufragenden Wänden der Todesschlucht aus. Unheil schien hier zu wohnen. Jean Rossein hatte kurz nach Norths Ende zum Aufbruch gedrängt. Niemand hatte dem Missionar widersprochen. Jeder war froh, endlich den Dschungel hinter sich lassen zu können. Übermüdet schleppten wir uns in die finstere Schlucht hinein.
Wir standen alle noch unter dem Einfluß des letzten und bisher schwersten Schocks.
In der Ferne erklang das klagende Geheul von Hyänen. Gloria ging fröstelnd neben mir. Schaurig brach sich das Heulen der Tiere an den steilen Wänden der Schlucht.
»Unheimlich, was?« flüsterte Gloria nervös. Sie schaute sich immer wieder unsicher um, als erwarte sie, von jemandem angegriffen zu werden.
»Ich finde, im Urwald war es schlimmer«, sagte ich.
Gloria seufzte. »Wenn wir das alles gut überstanden haben, stifte ich hundert Kerzen in der Kirche.«
Gegen Mitternacht hatten wir fast die Mitte der Schlucht erreicht. Bruno Pavarotti fiel auf, daß der Missionar von Minute zu Minute unruhiger wurde. Der Mann schaute links und rechts die Wände hoch, als würde er jemanden oder etwas suchen.
Das kam dem Italiener recht eigenartig vor. Rossein zitterte am ganzen Körper. Eine weitere Stunde verging. Da wollte Pavarotti endlich wissen, was den Missionar so schrecklich aufregte.
»Ist etwas nicht in Ordnung, Rossein?« fragte er heiser.
Der Missionar blieb abrupt stehen, als hätte er auf diese Frage gewartet. Er schaute Pavarotti triumphierend an. Sein Gesicht hatte sich verändert. Nichts Gütiges lag mehr in seinen Zügen. Seine Augen waren erschreckend böse. Sein Mund war zu einer dünnen, grausamen Linie geworden.
Und nun stieß er ein Lachen aus, das uns allen das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Nun brauche ich mich nicht mehr länger zu verstellen!« rief er. Er stemmte seine Fäuste in die Seiten. »Ich habe mein Ziel erreicht. Ihr Dummköpfe. Ich war nie Missionar. Nicht zwei Flugzeugentführer hat es gegeben, sondern drei! Steve Dava! Gay Douglas! Und Jean Rossein! Wir bekamen den Auftrag, ein vollbesetztes Flugzeug zu entführen, und wir haben es getan. Leider hat es dabei eine Panne gegeben. Von hundertdreißig Menschen blieb nur eine Handvoll übrig. Ihr alle seid auf meine harmlose Visage hereingefallen. Auch Sie, Ballard. Als Dava und Douglas nicht mehr am Leben waren, übernahm ich es, euch hierherzubringen, denn dies ist euer eigentliches Ziel! Hier endet euer Weg! Hier! Im Tal des Todes!«
»Von wem habt ihr den Auftrag bekommen, das Flugzeug zu entführen?« fragte ich scharf. Nach all den gefahrvollen Situationen, die wir gemeistert hatten, stellte sich vor uns nun die letzte große Hürde in den Weg.
»Der Auftrag kam vom Meister!« sagte Rossein ehrfürchtig.
»Und dieser Meister ist ein Vampir!« sagte ich.
»Sehr richtig. Er zahlt mit purem Gold für jeden von euch. Er braucht Blut. Aber kein Mensch wagt sich mehr in diese Gegend. Deshalb verfiel er auf die Idee, sich Menschen aus einem Flugzeug zu holen. Ihr seid verloren, Freunde! Nun gibt es kein Entrinnen mehr für euch. Diese Schlucht ist mit magischen Fallen abgesichert. Aus ihr kommt keiner raus, wenn der Meister es nicht will!«
»Er hat uns auf dem Weg durch den Dschungel begleitet, nicht wahr?« fragte ich.
»Allerdings. Er war immer in unserer Nähe«, kicherte Rossein.
»Und er hat sich North geholt, weil er seine Gier nach Blut nicht mehr bezähmen konnte.«
»Auch das ist richtig, Ballard.« Rossein rieb sich die Hände. »Ich werde reich sein. Ich werde einen Berg von Gold besitzen. Es war gewiß kein leichter Job, euch hierherzulocken. Aber ich habe es geschafft. Und der Meister wird mich dafür fürstlich entlohnen.«
»Du wirst vom Gold deines gottverdammten Meisters nichts mehr haben!« schrie Bruno Pavarotti außer sich vor Wut. Er faßte nach einem Stein, stürmte auf Rossein los und erschlug ihn mit einem einzigen wuchtigen Hieb.
Plötzlich brandete ein schauriges Gelächter auf. Es war kaum verklungen, da rief eine donnernde Stimme: »Selbst der Tod meines Dieners kann euch nicht mehr retten!«
Ich nickte Pavarotti zu. »Das war er.«
***
Wir entdeckten im unteren Drittel der Schluchtwand eine Höhle. Ein schlanker Mann stand davor. Soeben spannte er die Arme aus. Sie wurden zu Flügeln; er verwandelte sich in eine riesige Fledermaus, hob vom Felsen ab und segelte flatternd auf uns zu.
»Runter!« schrie ich. »Legt euch flach auf den Boden!«
Alle taten es. Nur
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