GK394 - Der Magma-Mann
sicher. Zufriedenheit und Wohlbefinden gehen damit einher. Sie streben die Unsterblichkeit an und erreichen sie auch.«
Spätestens jetzt mußte Russel die Frau für verrückt halten.
Er hatte Mühe, sich ein Grinsen zu verkneifen. Unsterblichkeit. So ein Quatsch. Na, Demelza Drake würde sich über seinen Bericht wundern. Er würde sie und die Mitglieder ihres Vereins ganz schön durch den Kakao ziehen. Die »Mystiker« würden der Lächerlichkeit preisgegeben werden.
Wer so stark spinnt, der muß damit rechnen, von andern ausgelacht zu werden.
Im Geist formte Russel bereits das Gerippe für seine Story.
Er stellte weitere Fragen, bekam immer verschrobenere Antworten.
Er fand Demelza Drake bald nicht mehr unheimlich. Er hielt sie nur noch schlicht für eine Närrin, die einige Gleichgesinnte um sich geschart hatte, um irgendwelchen Hokuspokus abzuziehen.
Nach einer halben Stunde hatte er genug von ihren Verrücktheiten. Sie drosch unverständliche Phrasen, sprach von dunklen Mächten, mit denen man sich beizeiten arrangieren müsse. Die »Mystiker« wären Auserwählte, die zu schwarzen Großtaten – was immer das heißen mochte – herangezogen werden würden, und so weiter und so fort.
Als sie endlich zu reden aufhörte, erhob er sich. »Ich danke Ihnen für das Gespräch«, sagte er freundlich.
»Gern geschehen. Es ist gut, daß die Menschen über uns informiert werden.«
»Oja, der Ansicht bin ich auch, Miß Drake. Ihre Ausführungen waren sehr aufschlußreich für mich.«
»Das hoffe ich. Wenn Sie noch irgendwelche Fragen haben…«
»Nein«, sagte Russel kopfschüttelnd. »Ich glaube, ich wurde bestens bedient. Also dann… Wenn Sie erlauben, empfehle ich mich nun.«
»Finden Sie allein hinaus?«
»Selbstverständlich«, sagte Russel. »Sie brauchen sich nicht zu bemühen.«
Er ging zur Tür und öffnete sie.
»Mr. Russel!« Ihre Stimme nagelte ihn fest.
Er wandte sich um. »Ja, Miß Drake?«
»Ich erwarte einen objektiven Bericht von Ihnen.«
Er lächelte. »Ich bin sicher, er wird Ihnen gefallen.«
»Wenn Sie die ›Mystiker‹ lächerlich machen…«
Sein Lächeln fror ein. Verdammt noch mal, konnte sie Gedanken lesen? Woher wußte sie, daß er das vorhatte? Da er nicht mit ihr darüber diskutieren wollte, wie sein Artikel aussehen sollte, sagte er freundlich: »Aber ich bitte Sie, Miß Drake. Wie kommen Sie denn auf die Idee?«
Er nahm an, daß sie seine Absicht erraten hatte. Aber das war nicht der Fall. Demelza Drake konnte tatsächlich Gedanken lesen. Sie wußte, was er plante, und sie warnte ihn: »Wenn Sie uns durch den Kakao ziehen, Mr. Russel, sorge ich dafür, daß Taras Lord Sie bestraft!«
Ihre Stimme klang drohend.
Rex Russel hatte keine Ahnung, wer Taras Lord war.
Aber Demelza Drake hatte von ihm so gesprochen, als wäre er der Leibhaftige.
***
Das Ehepaar Pitt führte ein Antiquariat. Ihr Buchladen befand sich gegenüber dem Bürogebäude von »Ferrosteel«. Sie verdienten nicht sehr viel mit diesem Geschäft. Ihre Wohnung befand sich über dem Laden, war klein und vollgestopft mit alten Büchern, von denen sich Christopher Pitt nicht trennen wollte.
»Ein feiner Geschäftsmann bist du«, pflegte Jennifer Pitt zu sagen. »Anstatt zu verkaufen, würdest du am liebsten alles selbst behalten.«
Seit seinem Autounfall vor zwei Jahren war Mr. Pitt gezwungen, am Stock zu gehen. Sein rechtes Bein war mehrfach zertrümmert worden. Die Ärzte hatten zwar alles versucht, um es wieder funktionsfähig zu machen, aber an Mr. Pitts Bein war ihre Kunst gescheitert.
»Wie waren die heutigen Einnahmen?« erkundigte sich Jennifer Pitt. Sie trug zwei Teller aus der Küche und stellte sie im Wohnzimmer auf den Eßtisch.
»Zum Leben zuwenig, zum Sterben zuviel«, brummte Christopher Pitt.
Sie waren beide an die sechzig. Mrs. Pitt war im Laufe der Jahre dick geworden, während Mr. Pitt neben ihr mehr und mehr zu verfallen schien. Böse Zungen behaupteten, Jennifer Pitt würde ihrem Mann alles wegessen. Das war natürlich eine glatte Verleumdung. An manchen Tagen aß sie nicht einmal halb soviel wie er. Er war einfach der bessere Futterverwerter.
»Was gibt’s zu essen?« fragte Christopher Pitt.
»Suppe und Ham and eggs.«
»Schon wieder? Das hatten wir doch erst gestern. Und zwei Tage davor. Machst du es dir nicht ein bißchen zu einfach, Jennifer?«
»Sieh zu, daß mehr Geld hereinkommt, dann kann ich dir täglich einen Tafelspitz vorsetzen«, sagte die Frau
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