GK436 - Die Geißel der Menschheit
gefressen wird, aber trotzdem nicht fortläuft. Was sollte sie tun? Eine Vielzahl von Gedanken wirbelten ihr durch den Kopf.
Sie dachte an Flucht, an die Polizei, an Mark Porter. Sie wußte, daß sie Hilfe brauchte, denn wenn ihr niemand beistand, war sie unweigerlich verloren. Aber woher sollte sie Hilfe kriegen?
Das Telefon läutete. Sie hörte das Klingeln wie durch dicke Daunenkissen und reagierte nicht darauf. Eine seltsame Art von Trance bemächtigte sich ihrer. Sie hatte Angst, und dennoch schlich sie auf das Fenster zu, durch das Carrago hereingesehen hatte.
Sie drückte ihr Gesicht an das Glas und schirmte die Augen vom Licht ab. Schwärze umgab das Haus. Von Carrago keine Spur. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben.
Oder war er doch nur eine Einbildung gewesen? Sie hatte sich die Skizze so lange angesehen. Hatte die Zeichnung auf geheimnisvolle Weise auf sie Einfluß genommen? Hatte sie deshalb Carrago am Fenster zu sehen geglaubt?
Camilla begab sich zur Terrassentür. Eine innere Stimme warnte sie, sie zu öffnen. Aber sie tat es trotzdem. Ein milder Lufthauch glitt über ihr angespanntes Gesicht.
Sie machte zwei Schritte nach vorn. Plötzlich nahm sie hinter sich eine Bewegung wahr. Erschrocken wirbelte sie herum, und da stand er. Carrago, die Geißel der Menschheit!
***
Ein Eissplitter fuhr ihr ins Herz. Sie stieß einen heiseren Schrei aus und griff sich an die Brust. Arnie Goretta, der mittlerweile Carragos Aussehen angenommen hatte, lachte spöttisch.
»Hast du Angst, Mädchen?«
Camilla starrte ihn entgeistert an. Wieder schrillte im Wohnzimmer das Telefon. Camilla fragte sich nicht, wer der Anrufer sein mochte. Sie konnte kaum noch denken. Die Furcht vor dem grausamen Magier machte sie total konfus.
»Du… du bist zurückgekehrt«, stammelte sie.
»Ihr wußtet, daß es dazu eines Tages kommen würde«, sagte Carrago. »Und ihr habt nach einer Möglichkeit gesucht, dies zu verhindern.« Er lachte blechern. »Aber es ist euch nicht gelungen.« Der Magier klopfte mit der Hand auf die Dolche, die in seinem Gürtel steckten. »Sieh, was ich mir geholt habe. Damit werde ich dich töten!«
Camilla schüttelte verzweifelt den Kopf. »Nein!«
»Doch, denn du bist gegen mich. Alle, die gegen mich sind, müssen sterben. Später werde ich mich dann der anderen annehmen. Es wird eine Menge Blut in London fließen. Mit dir mache ich den Anfang.«
»Nein!« schrie Camilla wieder.
Sie hetzte los, rannte an Carrago vorbei, stürmte ins Wohnzimmer. Der Magier folgte ihr. Ohne Eile betrat er den Living-room. Er war sich seines Opfers sicher. Es konnte ihm nicht mehr entkommen.
Da es ihm möglich war, in diesem Augenblick sämtliche Mitglieder des Carrago-Kreises geistig zu orten, wußte er auch, daß Mark Porter dem Mädchen zu Hilfe eilen wollte, und er ließ den jungen Mann auf telepathischem Wege wissen, daß er zu spät kommen würde.
Camilla rannte am schon wieder läutenden Telefon vorbei. Sie erreichte die Wohnzimmertür und riß sie auf. Carrago zog den ersten Dolch aus dem Gürtel. Sein abstoßendes Gesicht verzerrte sich zu einem grausamen Grinsen. Das Mädchen hatte keine Chance mehr. Sie hätte es wissen müssen.
Aber sie jagte durch die Diele, auf die Haustür zu. Als sie da anlangte, holte Carrago aus. Blitzschnell schleuderte er den Teufelsdolch. Die Waffe raste hinter dem Mädchen her und nagelte Camillas Kleid an der Tür fest. Das Mädchen wollte sich losreißen.
Es zerrte entsetzt am Stoff, doch der Dolch gab ihn nicht frei. Das Kleid zerriß auch nicht. Camilla schrie, weinte und schluchzte. Sie drehte sich um und sah Carrago in der Mitte der Diele stehen.
»Deine letzte Stunde ist gekommen«, sagte er kalt.
»Nein, bitte…«
Der grausame Magier holte den zweiten Dolch aus dem Gürtel. Da wußte Camilla Ford mit Sicherheit, daß sie verloren war.
***
Mark Porter bog in die Straße ein, in der Camilla Ford wohnte. Er hatte den süßlichen Geschmack von Blut im Mund, achtete jedoch nicht darauf. Die Schwellungen in seinem Gesicht störten ihn nicht. Er stoppte seinen Mirafiori vor Camillas Haus und sprang gehetzt aus dem Fahrzeug.
Über Natursteinplatten eilte er auf die Eingangstür zu. Er wollte läuten.
Tack!
Durch das dicke Holz der Tür hatte sich in diesem Augenblick ein Dolch gebohrt. Marks Kopfhaut spannte sich. Er starrte die Tür entgeistert an. Plötzlich hörte er Camilla jenseits der Tür schreien, weinen und schluchzen.
Eine kalte Männerstimme sagte:
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