GK446 - Der Geisterhenker
los. Mit wilden Tritten und Schlägen verschaffte er sich Luft, und dann jagte er weiter.
Aus dem Park.
Über die Straße.
Er schaute sich nicht um, rannte, rannte, rannte.
Erst drei Straßen weiter, als er nicht mehr laufen konnte, blieb er stehen und blickte sich um. Ungläubigkeit legte sich auf sein Gesicht. Der Spuk war vorbei. Die transparenten Gestalten waren nicht mehr zu sehen. Sie hatten die Verfolgung aufgegeben.
So ein Glück, dachte Oliver Kirste erschöpft, und er hoffte, daß sein Freund Torsten Klenke dieses Glück auch haben würde. Vielleicht sogar zusammen mit Frank Poelgeest.
***
Wir gingen selbstverständlich nicht in das Lokal an der Ecke, wie es Lance Selby vorgeschlagen hatte. Immerhin war Frank Poelgeest von Höllenknechten entführt worden, ich hatte es nicht verhindern können, und sein Schicksal war ungewiß. Wie hätten wir uns da einfach vergnügen können?
Da wir nicht wußten, wohin der Holländer verschleppt worden war, fuhren wir nach Hause. Aber wir gingen nicht gleich auf unsere Zimmer, denn schlafen hätten wir ja doch nicht gekonnt. Wir waren beide ziemlich aufgekratzt, und wir grübelten darüber nach, wie wir die Ereignisse in den Griff bekommen konnten. Was wurde hier in Hannover gespielt? Wie konnte man dem Ganzen einen Riegel vorschieben?
Wir begaben uns in die Hotelbar.
»Das Übliche?« fragte der Keeper lächelnd, und als ich nickte, stellte er mir ein Glas Pernod hin. Pur. Er hatte ein gutes Gedächtnis.
Lance bestellte sich einen Scotch. Daß der Keeper auch Feingefühl besaß, bewies er damit, daß er uns allein ließ, nachdem er uns bedient hatte. Er zog sich ans Ende des Tresens zurück und unterhielt sich da mit zwei weiblichen Gästen aus Frankreich auf französisch.
»Ich stehe an«, sagte der Parapsychologe grimmig.
»Ich leider auch«, gab ich zu.
»Wie willst du Kontakt zu den Geisterschergen kriegen? Anders sehe ich keine Möglichkeit, an Frank Poelgeest heranzukommen.«
»Ich kann im Moment nichts anderes tun, als warten. Du kennst mich und weißt, daß mir nichts schwererfällt als das. Aber ich kann nichts erzwingen.«
»Vielleicht sollte man die Höllenknechte provozieren.«
»Sag mir wie, und ich tu’s.«
Lance seufzte tief. »Du hast recht, Tony. Man kann im Augenblick nichts anderes tun, als abwarten. Vielleicht gibt es eine andere Gelegenheit, an die Geisterknechte noch heranzukommen. Wenn nicht, dann sehe ich schwarz für Frank Poelgeest.«
Wir konnten beide nicht wissen, daß wir für den Holländer nichts mehr tun konnten. Zu diesem Zeitpunkt gab es für uns nur noch eine Aufgabe: Frank Poelgeests Tod zu rächen.
***
Die nackte Angst saß in Torsten Klenkes Nacken. Er hatte die beiden Höllenknechte auf den Fersen. Sie kriegen dich! hämmerte es pausenlos in seinem Kopf. Du kannst ihnen nicht entkommen! Sie erwischen dich und schleppen dich zum Galgen, weil du so vermessen warst, dir einzubilden, den Geisterhenker davon abhalten zu können, Frank Poelgeest aufzuhängen.
Ohne Brille sah Torsten nicht viel schlechter. Da es stockfinster im Park war, war ohnedies kaum etwas zu erkennen.
Torsten rannte mit seinen langen Beinen - er war 1,97 groß - über einen weichen Rasenteppich. Seine Lungen brannten. Er hatte Seitenstechen. Aber er biß die Zähne zusammen und lief weiter.
Eine Baumgruppe.
Darauf hetzte Torsten zu. Er sprang hinter den ersten Stamm, da erwischten ihn die Finger eines Schergen. Sie krallten sich in seine Windjacke. Torsten warf sich mit ganzer Kraft nach vorn. Der Jackenstoff zerriß mit einem häßlichen Geräusch. Der Junge war wieder frei. Der Geisterknecht hatte nur ein Stück Stoff in seiner Hand, das er wütend wegwarf.
Torsten keuchte von Baum zu Baum.
Er spürte, daß er bald nicht mehr laufen können würde. Zu sehr hatte er sich schon verausgabt. Eine Hand legte sich schwer auf seine Schulter und riß ihn während des Rennens herum. Torsten stolperte über die eigenen Beine, knallte gegen einen Baumstamm und ging ächzend zu Boden.
Schon waren die Geisterschergen zur Stelle.
Vier Hände packten den Jungen.
Er schlug verzweifelt um sich, wehrte sich verbissen, rollte zur Seite, soweit die Hände dies zuließen, aber die Griffe wurden immer härter, ließen ihm immer weniger Bewegungsraum. Ein kraftvoller Ruck, und Torsten stand auf seinen langen Beinen.
Aus! schrie es in ihm. Jetzt bist du verloren!
Die Geisterschergen ließen ihn nicht mehr los. Sie klemmten den Jungen zwischen sich ein und
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