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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
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Richtung: »Siri wandelt meine Sprache in Text um. Wenn ich sage: ›Termin mit Müller‹, dann schickt sie Müller eine Mail und fügt den Termin ›to be confirmed‹ in meinen Kalender ein.« Er sagte es in einer Bestimmtheit, die sie wohl darüber hinwegtäuschen sollte, dass ein solches Nachhalten von Terminen ja nun wirklich nicht besonders innovativ war.
    Schlick wandte sich Miranda zu, als müsse sie übersetzten, was Winter da gerade von sich gegeben hatte: »Siri ist emotionsfrei und stellt keine Fragen. Darin liegt ihr Charme. Man kann sie in die Ecke feuern oder einfach ausschalten. So heißt die Sprachbedienung seines Smartphones.«
    Miranda lehnte sich erleichtert zurück. Nur ein Smartphone. Zumindest das schien ganz normal an Winter zu sein. Und sie hörte sich sagen: »Nun, damit komme ich klar. Es hat ja fast schon autistische Züge, wenn man es zu oft benutzt, nicht wahr?«
    Winter blickte auf die Tischplatte: »Ich habe keine autistischen Züge. Ich bin autistisch.«
    Miranda spürte, wie jegliche Spannung aus ihrem Unterkiefer wich und dieser nach unten wegklappte.
    Schlick schien die ganze Sache inzwischen peinlich zu sein: »Ja, das mit dem Asperger-Syndrom, hat man Ihnen das denn nicht gesagt in Ihrer Agentur?«
    »Ja, gut. Nun. Natürlich. Da gibt es ja verschiedene Ausprägungen. Ich meine, man merkt es doch kaum, und dass das jetzt tatsächlich so sein soll, finde ich schon erstaunlich. Ein wenig.« Miranda schämte sich. Mein Gott, Genmanipulation, Präimplantationsdiagnostik, durchgeknallte Forschungsvorhaben im Dienste des Geldes – nichts von alledem, was sie sich ausgemalt hatte, schien zu stimmen. Der Chef war nur Autist. Punkt. So einfach war die Lage. Er verhielt sich nicht anders als viele Chefs, die sie erlebt hatte, mit dem einzigen Unterschied, dass er eine Diagnose hatte, schwarz auf weiß. Es gab Schlimmere – ohne Befund.
    Winter kam näher und strich über eine der Tischkanten. »Was können Sie schon.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
    »Nun, man sagt, dass ich sehr mitdenkend arbeite.«
    Schlick sagte: »Sehr schön«, und holte dann kurz Luft. Sie schien das Thema wechseln zu wollen. Doch sie kam nicht dazu.
    »Sie können nicht im Ansatz die Menge und die Qualität meiner Gedanken ermessen.«
    Immerhin, er sprach. Und er war entwaffnend ehrlich. Jeder Chef dachte so, doch keiner hatte es bislang ausgesprochen. Vielleicht musste man ihn nur am Reden halten. Miranda fuhr also fort: »Ich organisiere gut und schnell.« Und sie fügte lächelnd hinzu: »Ich manage sozusagen Ihr Management.«
    »Damit wären Sie die Supernova des Managements. Überdenken Sie das.«
    »Ich habe angemessene kommunikative Fähigkeiten.«
    »Ich kommuniziere nicht. Ich hasse Kommunikation.«
    Er schien einer der Führungskräfte zu sein, denen man im Vorstellungsgespräch nicht nur sich selbst als Kandidatin, sondern den Job an sich nahelegen musste. Doch selbst das war nicht sehr beunruhigend. Es kam öfter vor, dass Menschen Hilfe brauchten, aber es lediglich nicht wussten.
    Schlick schien nun genug zu haben. »Keith, reiß dich bitte zusammen. Frau Beck soll dir doch nur ein wenig zu Hand gehen, du weißt schon, telefonieren, organisieren, dir eine Stimme verleihen, deine Gedanken in administrative Bahnen lenken, für dich mit Menschen reden, dir bei den Verhandlungen, die du planst, helfen. Vielleicht etwas Veranstaltungs- und Projektmanagement.«
    »Ich hasse Veranstaltungen. Ich verachte Projekte. Projekte sind in ihrer überwiegenden Mehrzahl unspezifische Ablenkungsmanöver vom eigentlichen Management.« Und dann schien Winter etwas in seiner Hosentasche zu suchen, man sah durch den Kord, wie sich die Finger bewegten. Nach einiger Zeit wurde er fündig und zog langsam etwas heraus. »Das hier, das hier ist ein Projekt.«
    Und jetzt traute Miranda ihren Augen nicht. Sie starrte auf seine Hand, die Finger feingliedrig und kräftig zugleich, die reinste Herzchirurgenhand, und sie sah, wie diese sich öffnete, um etwas behutsam auf die Tischplatte zu setzen, was sich sodann bewegte: Ein silbern glänzender, massiger Käfer mit auffallend großen Flügeldecken streckte seine Fühlhörner aus und krabbelte auf Miranda zu wie ein Kurzstreckensprinter nach dem Pistolenschuss. Er schien kein Aufziehschlüsselchen am Hinterteil zu haben. Ihm folgte ein weiterer, der genauso stark glänzte, nur golden.
    »Wir überspannen sie da draußen mit Vlies oder kleinporiger Lackfolie aus

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