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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
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erst ein Brötchen um die Ecke kaufen gehen musste, um einigermaßen anständig behandelt zu werden.
    Am glatten Displaybereich krabbelte ein kleiner Käfer über die Einparkhilfe. Löhring schnipste ihn gegen die Scheibe, an der er mit ausgestreckten Beinchen hinabrutschte. Er starrte über ihn hinweg nach draußen, legte die Hände auf den oberen Teil des Lenkrads und den Kopf darauf. Der ganze Gefängnismief, eine beißende Mischung aus Männerschweiß, Kohl und kaltem Zigarettenqualm, war auf den Handrücken noch zu riechen. Es war völlig unakzeptabel. Eine einzige Unverschämtheit. Hatten die Leute eine Ahnung, was für eine Chance sie da mit ihm ausgeschlagen hatten?
    Löhring legte sich eine Pille auf die Zunge und ließ den Kopf nach hinten gleiten, bevor es wieder grün wurde. Nie und nimmer wollte er da noch einmal hin.
    Winter war fast unbemerkt in den Besprechungsraum gekommen. Miranda blickte auf in seine Richtung. Er war keiner dieser schwungvollen Typen, die Räume eroberten, statt sie einfach zu betreten. Bei ihm war es mehr ein Hereinhuschen. Er hielt kurz inne, stand etwas hölzern da, wie ein Bote ohne Paket, ein dunkelhaariger Typ von kleiner, drahtiger Gestalt, vielleicht Ende vierzig, in einem hellblauen Pullunder über einem dunkelblauen Polohemd, dazu eine Kordhose und Wildleder-Boots. Er war irgendwie verstörend attraktiv, wenn man von der Kleidung absah, fand Miranda.
    Sein Blick streifte für Bruchteile von Sekunden den Stuhl, auf dem sie saß, und dann ging er zum Fenster, mit langsamen, kantigen Schritten, blieb davor stehen, steckte die Hände in die ausgeweitetentiefen Hosentaschen und schaute hinaus in die Landschaft, als er sagte: »Ich brauche keine Sekretärin.«
    Schlick lächelte, blieb jedoch sitzen. »Ja, das denken sie alle. Darf ich vorstellen: Herr Winter, wie er leibt und lebt. Normalerweise kann man die wenigen Worte, die er sagt, durchaus wörtlich nehmen. Doch hier würde ich eine Ausnahme machen.«
    Es hörte sich heiter an, aber man konnte förmlich spüren, wie sehr Schlick um Verharmlosung bemüht war. Miranda hatte nicht das Gefühl, jetzt etwas sagen zu müssen. Es war nicht das erste Mal, dass sie wie eine Theaterbesucherin in der ersten Reihe wortlos mit ansah, wie die Dinge geschahen. Dieser Mensch vor ihr am Fenster hätte jedenfalls Eintritt nehmen können, fand sie. Alles an ihm war seltsam unscheinbar, und doch konnte sie nicht die Augen von ihm lassen. Er war kühl, aber nicht gleichmütig, nicht direkt unnahbar, aber auf jeden Fall distanziert, fast schüchtern, definitiv nicht das, was man einen Spaßvogel nennt. Und er stand immer noch am Fenster und blickte hinaus.
    »Rechnet man die Anzahl der auf einem bestimmten Gebiet lebenden Tierarten inklusive aller Kleininsekten auf eine Gesamtfläche hoch, so verschwinden jeden Tag bis zu einhundertfünfzig Quadratmeter vom Planeten. Wir haben dringende Probleme. Und du willst mir sagen, dass ich eine Sekretärin brauche.«
    »Keith, bitte.«
    »Es ist wie damals. Purer Stress.«
    »Nein, Keith, sie wird dir deinen Stress nehmen.«
    Winter ließ sich nicht beirren. »Der Sekretärvogel ist auf dem afrikanischen Kontinent beheimatet und stampft seine Opfer zu Tode.«
    Er sagte es auf eine Art und Weise, dass einem das Lachen im Halse stecken blieb und die einen mundtot machte, weil man zuerst überlegen musste, ob er das, was er sagte, so ernst meinte, wie er es sagte. Er war eine verstörende, respekteinflößende Persönlichkeit und besaß zugleich einen naiven Charme, wie ihn grimmige kleine Jungs haben – eine faszinierende Mischung,fand Miranda. Doch irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Er war keine zwölf mehr. Er war der Chef hier. Wo immer er auch gedanklich war, ihn dort abzuholen würde eine weite Reise bedeuten, um einiges weiter als eine Bustour in den Kaukasus. Miranda blieb sitzen, nahezu bewegungslos, mit übereinandergeschlagenen Beinen, die Unterschenkel nochmals ineinander verschlungen.
    Winter stellte sich auf die Zehenspitzen und begann, ganz langsam von einem Bein aufs andere zu trippeln. »Ich habe Siri.«
    Siri. War das ein Stichwort? Miranda musste jetzt einen Vorstoß wagen. Es war wahrscheinlich nur ein Spiel, eine etwas schräge Art von Assessment Center. Einen Versuch war es wert, und sie fragte so neutral wie möglich, nahezu tonlos: »Ist das auch eine Vogelart?«
    Winter drehte sich langsam zu ihr um, blickte ihr immer noch nicht in die Augen und sagte lediglich in ihre

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