Glaesener Helga
überfallen, und außerdem ein Gutsbesitzer, der aber mit den Fischern überhaupt nichts zu tun hat. Wie passt das zusammen?«, fragte der Richter aus Chiesina Uzzanese.
»Dieser erste Fischer wurde von diesem …«
»Sergio Feretti?«
»… umgebracht«, schlug Paolo vor. »Daraufhin haben die Fischer – nein, dieser Leo – Feretti erledigt, und …«
»Und?«, wollte Rossi wissen.
»Signora Feretti hat blutige Rache genommen.«
Die Männer lachten.
»Was ist daran komisch? Hast du nicht von einer Frauenstimme gesprochen, Leandro?«
»Aber überhaupt nicht. Ich habe gesagt, ich konnte keinen Pieps …«
»Der Zeuge wird in Beugehaft genommen, bis er bereit ist, sich ein wenig Mühe zu geben«, ulkte Paolo.
»Und was ist mit diesem anderen Fischer?«, wollte der Giudice, dessen Namen Cecilia immer noch nicht kannte, wissen.
»Leo?«
»Nein, dieser junge Mann … Was war denn da noch gleich? Du hattest mich nach ihm gefragt, Leandro …«
»Ivaldo Bronzi.«
»Eben der.«
»Der ist bei den Dragonern in Pisa gelandet«, sagte Cardini.
»Ist er nicht. Erst letztens hat jemand aus seiner Sippe Anzeige erstattet, weil er verschwunden sein soll.« Einen Moment herrschte Schweigen, dann rief der Giudice seinen Sbirro aus der Küche. Cecilia hörte den jungen Mann berichten. Ivaldo war tatsächlich in Pisa. Der Mann, der vermisst gemeldet worden war, hatte Orazio Bronzi geheißen und war Ivaldos Bruder gewesen, und Orazio war in Wirklichkeit auch nicht verschwunden, denn man hatte ihn erst jüngst bei einem Brotdiebstahl ertappt.
»Habe ich ihn verurteilt?«, wollte der Giudice wissen.
»Zu fünf Stockhieben, Giudice.«
»Eine Plage, diese Fischer. Sie tauchen vor meinem Richtertisch auf wie die Ameisen an einem Marmeladeklecks. Der ganze Gerichtssaal stinkt schon nach Fisch. Das bilde ich mir nicht ein. Mein Talar stinkt …«
»Ich wüsste tatsächlich gern, warum Giusdicente Lupori sich so still verhält«, fiel Leandro ihm ins Wort.
»Weil er kein Interesse daran hat, sich die Fischer auf den Hals zu laden. Hast du mir nicht zugehört?«
»Feretti war … nun, wenn nicht reich, so doch bedeutend genug, dass jemand wie Lupori von seinem Tod Notiz nehmen sollte.«
»Ach, Gütiger!« Das war Paolo. »Vielleicht hat der hochverehrte Giusdicente die Scheißerei. Im Ernst. Die Weltpolitik wird davon bestimmt, wer gerade in welchem Moment mit der Verdauung zu kämpfen hat. Wenn ihr euch die Geschichte anschaut … Da gab es mal einen Papst. Der ist im Abort gestorben, und die Folge war …«
Cecilia hörte nicht mehr zu. Sie bückte sich nach ihrem Buch und stellte es leise ins Regal zurück. Sie kamen nicht voran, die Richter. Vielleicht würden sie etwas finden, wenn sie ihre Sbirri auf die Suche schickten, vielleicht auch nicht.
Sie war plötzlich froh, dass Rossi ihr Grazias Pistole gegeben hatte. Und dass sie sie bei sich trug.
14. Kapitel
D ie Sbirri und eine ungewöhnlich große Schar freiwilliger Helfer suchten das Valdinievole-Tal ab. Die meisten dieser Helfer wurden von den arbeitslosen Fischern gestellt, aber auch Bauern, sogar Gutsbesitzer und Leute aus den Städten, die sich relativ sicher wähnten, schlossen sich ihnen an. Hundekadaver lagen an den Straßenrändern. Es gab Streit, als ein teurer Dachshund erschlagen wurde, aber der Mann, der ihn umgebracht hatte, konnte glaubhaft machen, dass das Tier ihn angegriffen hatte – auch wenn es sich um keine der Sumpfbestien handelte.
In Chiesina Uzzanese meldete sich ein bis an die Zähne bewaffneter Trupp von etwa zwanzig Mann, die versprachen, die Sumpfbestien »… gegen Belohnung zu dem Teufel zurückzuschicken, der sie ausgebrütet hat«. Giudice Polo schickte sie selbst zum Teufel, bis auf den Anführer, der wegen einer Schlägerei gesucht wurde und den er umgehend zu zwanzig Hieben verurteilte. Manche Leute meinten allerdings, er habe damit einen Fehler begangen.
Man sah kaum noch Kinder auf den Straßen.
Leo, so hieß es, habe sich eine Sense beschafft, die nun griffbereit neben seinem Strohlager lag. Man hörte ihn gelegentlich lachen – das war das einzige Geräusch, das noch aus seinem Mund drang. Er wurde vom Pfarrer besucht und auch noch einmal von Rossi, aber niemand konnte ihn zum Reden bringen. Seine Mutter zündete in der Kirche von Monsummano Kerzen für ihn an.
»Er wird noch an seiner Angst sterben«, sagte Rossi.
Die Tage vergingen, aber die Suche förderte nichts zutage, außer dass man ein Versteck mit Diebesgut fand, was zur Verhaftung
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