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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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erblickte. Doch Cecilia ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen.
    »Lauf, Anita. Signore Mencarelli war gerade an der Tür. Richte ihm aus, dass der Giudice in einer Stunde zu sprechen sein wird. Rasch. Er ist auf dem Weg heim. Vielleicht erwischt du ihn noch.«
    Rossi wartete, bis Anita ihre Schürze abgebunden hatte und die Treppe hinauf war. »Ich werde in einer Stunde zu sprechen sein?«
    »Ja. Er wird dir aufschwatzen wollen, dass du für einen Ballen gestreifter Baumwolle mehr zahlen sollst, als er zu bekommen hat. Lass dich nicht beirren. Ich hatte ihm ein Limit gegeben. Er … er hat es überschritten, aber er soll nicht denken …« Sie brach in Tränen aus.
    Rossi blies lautlos die Luft über die gespitzten Lippen. Er langte hinter sich und reichte ihr ein Geschirrtuch von dem Stapel, der gerade von der Büglerin gekommen war. »Was soll ich machen? Ihn verprügeln? Baumwolle, sagst du?«
»Rossi, sie reden über mich.«
»Wer redet?«
»Das weiß ich nicht. Alle. Ganz Montecatini.« Was
    sollte sie ihm erzählen? Wegen Inghiramo hatte er ihr bereits selbst Vorwürfe gemacht. Und was Großmutter über die angebliche Affäre zwischen ihr und dem Giudice gesagt hatte …
    »Großmutter hat herausgefunden, dass Inghiramo in der Stadt ist.« Ihr Bedürfnis, das Herz auszuschütten, war größer als ihre Scham. »Er hat mir weiße Rosen geschickt. Ich hätte sie zurücksenden sollen, aber mir ging plötzlich auf … Er hat es ohne Eigensucht getan. Damals, in Florenz, hat er sich in mich verliebt. Als ihm klar wurde, in welche Schwierigkeiten er sich damit brachte, ist er davongelaufen. Aber das hat er bereut. Er ist gekommen und hat es sich als Buße auferlegt, Carlo Gozzi zu inszenieren. Er hasst Komödien, verstehst du? Er verabscheut Gozzi. Er hätte in seinem früheren Leben jedem Arlecchino, der seine Bühne betritt, mit eigener Hand den Hals umgedreht. Er hat sich selbst verraten für … für das, was er für seine Liebe hält.«
    »Hm«, meinte Rossi reserviert.
»Nicht, dass ich ihn deshalb weniger verabscheue.« Warum lud sie ihre Verwirrung gerade bei diesem Mann ab? Rossi konnte den Dichter nicht ausstehen, das rieb er ihr doch ständig unter die Nase. Außerdem spielte das alles keines Rolle.
»Und nun?«, fragte Rossi.
»Warum ist es bei mir schlimm und bei dir nicht?«, fragte Cecilia.
»Was?«
»Über dich und Francesca reden sie nicht.« Er lachte, aber es klang nicht gerade heiter. Der Stapel Geschirrtücher war umgefallen, und er zog ihn zerstreut zu sich heran, um die Tücher wieder zu stapeln.
Schrecklich, dachte Cecilia. Ich muss aufhören, mir das Herz auf seine Kosten zu erleichtern. »Es tut mir leid, Rossi. Francesca … Du musst nicht denken, dass es mir gleichgültig ist, wie es um dich steht. Oder um sie. Sie ist eine so mutige Frau. So gerade heraus … Ich hege jedes erdenkliche freundliche Gefühl für sie …«
»Worauf willst du hinaus, Cecilia?«
Niedergeschlagen nahm sie ihm die Tücher ab, die er kreuz und quer übereinandergelegt hatte, und begann sie neu zu falten. »Wer mag Großmutter Bianca von dem unterrichtet haben, was hier geschehen ist? Von irgendjemandem muss sie ja von Inghiramos Ankunft erfahren haben.«
Er zuckte mit den Schultern.
»Und nun?« Hilflos blickte sie ihn an, während ihre Hände den Stoff glätteten.
»Ist jemand unhöflich zu dir?«
Sie schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Aber wenn sich erst herumspricht … Tut mir leid.« Sie wischte die Tränen aus ihren Augen und beugte sich über ihre Arbeit.
»Cecilia …«
»Du weißt ja nicht, wie das ist, … zu wissen, dass sie flüstern, wenn man ihnen den Rücken kehrt … Einladungen, auf die es weder Zusage noch Absage gibt … Sie werden mich ignorieren, … die Straßenseite wechseln … Ich habe das erlebt, nicht bei mir selbst, aber bei einem Mädchen, mit dem ich als Kind musiziert habe … Wie lebendig und trotzdem schon tot, Rossi, wie aussätzig. Das ist schlimmer als einsam«, sagte sie leise. »Das hält man nicht aus.«
Eine Weile war es still. »Du hättest nie bei mir einziehen dürfen«, sagte er schließlich. Späte Erkenntnis, ja.
»Großmutter hat recht. Dieses Mädchen war stolz, sie hat es lange ausgehalten. Aber ich bin das nicht.« Eine weitere späte Erkenntnis. Die Tücher waren wieder ordentlich gefaltet. Cecilia nahm den Stapel auf und verstaute ihn zwischen den Tellern auf dem Küchenregal.
Rossi murmelte etwas.
»Was?«
»Ich frage, ob es helfen würde, wenn ich dich

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