Glaesener Helga
Deramo verweigerte beiden die Ehe, und Clarice musste sich vor ihrem Vater rechtfertigen.
»Statue oder nicht Statue, Herz oder nicht Herz, wer gab dir die Erlaubnis, dich in Leandro zu verlieben?«, wütete der Minister.
»Es waren seine Augen, die Schönheit Leandros. Seine lieben Worte gaben mir keine Zeit, Erlaubnis einzuholen, um mich verlieben zu dürfen, und so habe ich mich verliebt, ohne es zu bemerken.«
Verliebt, ohne es zu bemerken, dachte Cecilia. Ja, und dann ist es zu spät.
Das zweite Mysterium, das der Zauberer dem König überlassen hatte, bestand in einem Zauberspruch. Stellte man sich über den Leib eines toten Lebewesens und sprach die magischen Worte, so verließ man unverzüglich den eigenen Körper und nahm den des Leichnams in Besitz. Genau das geschah König Deramo und dann seinem Minister. Unter dem Einsatz wallender Nebelwolken wurde der eine zu einem Hirsch und der andere zu König Deramo. Der Hirsch wurde auf Betreiben des verräterischen Ministers erlegt, aber der König hatte sich bereits in einen alten Bettler verwandelt – und war von da an krank vor Eifersucht, weil er fürchtete, dass die inzwischen erwählte Angela ihn in seiner Bettlergestalt verstoßen würde.
»Sie ist ja nur ein Weib, und lieber wird sie einen schönen Körper wählen mit einem bösen Geist als einen edlen Geist, gehüllt in einen grauenhaften Körper, denn für gewöhnlich handeln Frauen so.«
Diese Rede wurde vom männlichen Teil des Publikums eifrig beklatscht. Doch die edle Angela strafte den Hohn Lügen und entschied sich für den hässlichen Körper, in dem sie den schönen Geist ihres Königs erkannte.
Die Komödie nahm ihren Lauf, das Ende war moralisch und zwangsläufig: Der böse Minister wurde in ein krüppliges Ungeheuer verwandelt und starb. Der König bekam die tugendhafte Angela. Die schöne Clarice den ebenso schönen Leandro. Smeraldina stritt mit ihrem Bruder, dem Mundschenk.
»Meine Ehre ist zum Teufel, keiner schaut mich mehr an. Und jetzt sieh zu, wie du einen Mann für mich findest, sonst hast du die Hölle im Haus. Ich weiche nicht von deiner Seite, ich mache dich unglücklich, bis du dich aus Verzweiflung erhängst.« Ihr Bruder empfahl ihr grob, sich selbst einen Mann zu suchen.
»Hab ich ja schon getan, du Esel. Hab allen Lakaien die Hand gedrückt und allen Küchenjungen zugeblinzelt, allen Stallknechten zugeseufzt. Aber keiner hat mich angeschaut.«
Ihr aufgebrachter Bruder: »Nein, jetzt muss es heraus: Dass du für eine Jungfrau durchgehen willst, wo doch jeder weit und breit weiß, dass du wegen deiner verfluchten Mannstollheit in der Lombardei in mehr als sechs öffentlichen Häusern gearbeitet hast …« Nicht Deramo oder Angela spielten die tragischen Rollen in diesem Stück, es war das aufgeputzte Mädchen in der Narrentracht, Smeraldina, der die Meinung ihres Bruders so grausam ins Gesicht schlug, dass Cecilia hätte weinen mögen.
»Belästige mich nicht mehr, du Luder. Scher dich zu deinesgleichen …«
Sie merkte, dass ihr tatsächlich Tränen aus den Augen quollen, und sie tupfte vorsichtig mit dem Fingerknöchel gegen den Augenwinkel. Wie durch eine Wand hörte sie das Publikum grölen. Geschieht dir recht, Hurenweib … Und weitaus Obszöneres.
Der Arlecchino kam, und Smeraldina warf sich ihm zu Füßen. »Arlecchino, mein süßer Wiedehopf, mein Hänfling, meine Lerche – willst du mich nicht doch noch nehmen?«
Arlecchino gab sich spröde. »Dumme Pute, nein! Den Vorgeschmack der Ehe hab ich im Kerker kennengelernt. Ich bleibe ledig.«
Cecilia versuchte sich beherrschen, doch je mehr sie gegen die Tränen kämpfte, umso rascher rannen sie. Ja, Großmutter, du hast recht gehabt, und ich unrecht. Obwohl niemand zur Loge blickte, fühlte sie sich wie aufgespießt.
»Geh auf den Trödelmarkt und reih dich unter die zerbeulten Töpfe«, höhnte Arlecchino. Er improvisierte, wie es in der Commedia dell’Arte bei den Harlekinszenen üblich war, und er erstrahlte in Boshaftigkeit. Vielleicht war er der beste Schauspieler, der heute auf der Bühne stand.
»Ja, wenn du mich dort kaufst!«, bettelte Smeraldina.
»Nur, wenn du mich nichts kostest.«
»O ja, mein Liebster. Du bekommst mich ganz umsonst.«
»Dann nehm ich dich.« Er zog die Smeraldina an den Haaren hinter den Vorhang.
Inghiramo betrat die Bühne erneut. Dieses Mal in der Maske des Magiers. Seine Schlussworte klangen melancholisch.
»Denn in der Zukunft sollen die gelehrten Physiker sich mühen, sie sollen über
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