Glaesener Helga
gefühlt, einer Dame aus Florenz, der unsere Familie freundschaftlich verbunden ist. Sie hatte einen Zoo nachgestellt, mit goldenen Käfigen, in denen Affen und afrikanische Raubkatzen ausgestellt waren …«
Rossi kniff sie in den Arm, und sie verstummte. Sein Grinsen ärgerte sie. Für ihn war es leicht. Er war ein Mann, er verdiente Geld und konnte deshalb tun und lassen, was er wollte.
Nein, ganz stimmte das auch nicht. Er hatte sich ebenfalls anpassen müssen. Wenn man von ganz unten kam, konnte man sich keinen Stolz leisten. Cecilia versuchte sich vorzustellen, wie Rossi Signore Seccis Taschenuhrensammlung pries. Aber sie merkte rasch, dass ihre Phantasie damit überfordert war. Vielleicht war er so gescheit, dass man seine Grobheit als liebenswerte Marotte tolerierte. Vielleicht war er auch einfach zu nützlich. Sie dachte an die CompilationsKommission. Man musste bestimmt klug sein, um die Justiz eines Landes zu reformieren.
Der blaue Samtvorhang, den das Teatro ebenfalls der Großzügigkeit Signora Seccis zu verdanken hatte, hob sich, und die Leute begannen zu klatschen. Cecilia merkte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. Sie war nicht mehr in Florenz, aber der Beifall, das Rascheln der Kleider, die Erwartung in den Gesichtern, spülten mit einem Schlag Erinnerungen zurück, von denen sie gehofft hatte, sie wären durch das Netz ihres Gedächtnisses gefallen. Beunruhigt knetete sie den Knauf ihres Fächers. Einen Moment bildete sie sich ein, Großmutters Lavendelparfum zu riechen.
Inghiramo betrat die Bühne. Schwarz und grau – er kleidete sich wie immer, und Cecilia sah das Lächeln in seinen Mundwinkeln. Früher hatte sie darin Hochmut gesehen. Heute kam es ihr wehmütig vor. Aber nur, weil ich es so sehen will, denn ich bin viel zu weit entfernt, um die Mimik seines Gesichtes zu deuten, sagte sie sich vernünftig und zwang sich zur Haltung.
Inghiramo hatte in seinem Theaterstück selbst eine Rolle übernommen. Er spielte den Geschichtenerzähler, der vor der Kulisse der Stadt stand und … nun, großartige Dinge zu verkünden hatte. Er war nicht Inghiramo, sondern Cigolotti, ein armer, tumber Diener, der fünf Jahre zuvor bei einem Magier in den Dienst getreten war, dem großen Durandarte, der die schwarze, die rote, die grüne – vielleicht auch die blaue Magie beherrschte … Hinter der gemalten Stadtmauer gab es einen Knall, und Sterne stiegen in die Luft.
Die Zuschauer lachten.
Inghiramo erzählte von König Deramo, der den Magier zu sehen wünschte, und von den beiden Geheimnissen, den Mysterien der Natur, die Durandarte beim König zurückließ. Er erzählte von der Verwandlung des Zauberers in einen Papagei und dass er ihn heute, an gerade diesem Tag, vierzig Jahre nach seiner Verwandlung, im Wald von Montecatini freilassen werde. Für den Magier nähme damit seine Bußzeit für den Verrat der Mysterien ein Ende – Cigolotti selbst erwartete ein Lohn von zwanzig Skudi.
»Das rechnet sich – dafür lass ich mein Federvieh auch frei«, brüllte einer der Zuschauer aus den hinteren Bänken.
Signore Secci war der Kopf auf die Brust gesunken, er schnarchte leise.
»Und nun gebt acht, verehrtes Publikum, auf die großen Ereignisse dieses Tages. Ich begebe mich jetzt in den Wald von Montecatini …«
Secci war der Einzige, der schlief. Der Rest der Zuschauerschaft war von dem Erzähler in den Bann geschlagen worden. Die Kulisse wandelte sich in einen Garten, und das Publikum glotzte mit großen Augen auf die beiden orientalisch gekleideten Schauspieler, die den Grund legten für die Verwicklungen der nächsten Stunde.
Der König hatte zweitausendsiebenhundert und achtundvierzig Prinzessinnen, Jungfrauen und Damen befragt, um eine von ihnen zur Gattin zu wählen. Doch keine hatte ihm gefallen. Sein Minister hatte ihn überzeugt, dass das Volk auf einen Thronfolger warte, und so hatte er sich nun bereit erklärt, weitere Jungfrauen vorzulassen. Der intrigante Minister hatte ihm aus der Urne den Namen seines eigenen Töchterchens präsentiert, doch die hübsche Clarice liebte Leandro …
Es war eine Komödie. Die Zuschauer, unabhängig von Rang und Bildung, amüsierten sich köstlich über das erste Mysterium des Magiers, eine Statue, die zu lachen begann, sobald eine der Anwärterinnen auf die königliche Ehe schwindelte. Smeraldina, die Schwester des Hofschenks und Hure aus Gewohnheit, scheiterte ebenso wie die gehorsame Clarice, die, wie vom Vater gewünscht, dem König ihre Liebe vortäuschte.
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