Glaesener Helga
heirate?«
Entgeistert drehte sie sich um. Er blickte sie an, die eine Hand auf dem gestreckten, verletzten Bein, die andere auf der Tischplatte, um sich abzustützen, im Gesicht einen undefinierbaren Ausdruck.
Einen Moment lang verschlug es ihr den Atem. Der Retter aus der Not. Der Mann, der sich ehrenhaft bereit erklärte, den Unglückswurm zu ehelichen, den er gedankenlos mit in die Patsche geritten hatte. Nicht wie Inghiramo … pflichtbewusst. Was hieß schon anstrengend , wenn man eine Schuld abzutragen hatte.
»Frag mich das nicht wieder!«, sagte sie böse. Der kleine Gerichtssaal war gefüllt bis auf den letzten Platz. Signora Secci hatte eine Putzmannschaft geschickt, um Spinnweben und Flusen zu entfernen. Flitter, Girlanden und die Kulissen verbargen die Schäbigkeit des ehemaligen Theaters. An den schlimmsten Stellen waren die Wände mit Farbe übertüncht worden. Dort, wo sich ein riesiger Schimmelfleck gebildet hatte, hing das Wappen der Stadt, die beiden Löwen mit der Krone.
In den Logen hatte die Signora einige ihrer eigenen Stühle aufstellen lassen, für sich selbst einen Sessel, der geeignet war, ihrer Fülle Halt zu geben. Sie trug eine Robe aus gelber Seide mit einem hauchdünnen schwarzen Fichu darüber, unter dem ihr weißer Busen bebte. Aufgeregt klackerte sie mit dem Fächer.
»Ein Stück, meine liebe Cecilia, das den Königen der Welt als Lehre dienen kann, voller philosophischer Anspielungen und Ratschläge. Das Volk wird es natürlich nicht bemerken …«
Das Volk tummelte sich unten im Raum. Cecilia bemerkte Zaccaria und seine Frau Fausta und wunderte sich, weil sie bei dem Bauern niemals eine Neigung zum Poetischen vermutet hätte. Die beiden saßen steif auf einer der hinteren Bänke, und als Fausta einen Blick in Richtung Loge warf, winkte Cecilia ihr zu.
Signora Secci hatte es bemerkt. »Man muss sich mit ihnen abgeben, meine Liebe, ganz recht. Das Volk hat diesen Menschen nun einmal ins Gericht gewählt. Finden Sie nicht auch, dass er seinen Stieren ähnelt? Sehen Sie nur diese Stirn! Mein Gatte klagt ja nicht, aber manchmal spüre ich doch, wie hart es ihn ankommt, sich in solcher Gesellschaft bewegen zu müssen.« Signora Secci flüsterte, allerdings in einer Lautstärke, die ihre Worte in jeden Winkel des Teatro trug. »Ich kann nicht finden, dass der Granduca, sosehr ich ihn und seine milde Amtsführung schätze, mit diesen Reformen besonders weise handelt. Ein Bauer in einem Richtergremium! Ich habe gehört, Seine Exzellenz will die Deputierten der Provinzialversammlungen zwingen, einheitliche Roben zu tragen, um die Standesunterschiede zu verwischen. Stellen Sie sich das nur vor.«
»Schont den Staatssäckel«, meinte Rossi über Cecilias Kopf hinweg. Signore Secci, der an der anderen Seite seiner Gattin Platz genommen hatte, gähnte.
»Unglaublich! Sehen Sie Mariannas Frisur? Eine Pagode! Ich bitte Sie, Signorina Barghini – das ist für ein kleines Städtchen wie unseres nun wirklich übertrieben. Sind wir am Hof von Paris?«
Cecilia starrte auf das chinesische Gebäude aus steifem, bunten Papier, das Marianna Bossi in ihre Frisur hatte einarbeiten lassen, und sie musste Signora Secci recht geben.
»Sie neigt dazu, zu übertreiben, die Gute. Ich sage immer zu Signore Secci: So kommt es, wenn man zu wählerisch ist. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass die Arme auf diesen Conte aus Pisa gehofft hatte. Daraus konnte nichts werden, ganz gleich, wie hübsch sie ist. Ich habe es ihrer Mutter – sie war so gütig, mich ins Vertrauen zu ziehen – von Anfang an gesagt. Wer hoch hinaus will, fallt besonders tief, das waren meine Worte. Der Conte ist nur gar zu rasch geflohen, als er die finanziellen Verhältnisse des Mädchens bemerkte. Nun glaubt sie wohl, ihre Blamage durch modische Eskapaden wettmachen zu müssen. Ich sollte ihr diskret einen Wink geben.« Signora Secci beugte sich zu Cecilia und wisperte hinter dem Fächer: »Haben Sie es gehört? Sie soll mit dem armen Jungen, den sie jetzt geheiratet hat, schon am Tag nach der Hochzeit in Streit geraten sein. Vor dem Dienstpersonal!«
»Tatsächlich.«
Cecilia fühlte, dass Rossi sie beobachtete. Ja doch, dachte sie verdrossen, es liegt kein Glanz darauf, sich einzuschmeicheln.
Laut sagte sie: »Diese Idee, Ihrem Heim einen Hauch von Teatro zu verleihen, war bezaubernd, Signora. Ich war einfach hingerissen. Das Bühnenbild in Ihrem Salon … so … exzentrisch. Ich habe mich an einen Ball bei Signora Alvisi erinnert
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