Glaesener Helga
die Organe und die Sprache disputieren und Experimente ausführen, bis sie begreifen: Nichts ist austauschbar. Ein jeder bleibt doch, wie er immer war.«
Rossi reichte Cecilia verstohlen ein Schneuztuch. »Doch ihr, barmherzige Geister, wenn euch die Verwandlung bis zum Tier gefallen hat, und wenn ihr uns verzeiht, erfreut uns jetzt mit einem kleinen Zeichen eures Dankes.«
Beifall brauste auf. Signora Secci erhob sich, wie besessen klatschend. Der Fächer rutschte von ihrem Schoß, und Cecilia nutzte die Gelegenheit, sich danach zu bücken und sich heimlich mit dem Tüchlein übers Gesicht zu wischen. Signora Seccis Lakaien eilten, die Kerzen anzuzünden. Die Signora selbst warf übermütig Konfekt und Münzen auf die Bühne. Schließlich kehrten die Schauspieler zurück, um die Gaben einzusammeln und sich zu verbeugen, und Königin Angela deklamierte artig ein Dankgedicht für die Gönnerin der Truppe, was ihr eine weitere Münze einbrachte, die sie, aus ihrer Rolle fallend, zwischen den Brüsten versenkte.
Erneutes Grölen.
Arlecchino und Smeraldina küssten einander – eine zotige Geste, bei der ihre Zungen sich umeinander wanden. Die Leute lachten oder wandten sich entrüstet ab. So war es, das Theatervolk.
»Nach Hause?«, flüsterte Rossi in Cecilias Ohr. Sie schüttelte den Kopf. Dieser Abend wurde durchgestanden.
Die Feier fand gegenüber im Kaffeehaus statt, da Rossi sich geweigert hatte, den Palazzo herzugeben. Signora Secci hatte Einladungen verteilt, und so war es nur noch die Creme der montecatinischen Gesellschaft, die sich an Goffredos festlich gedeckten Tischen niederließ. Und einige wenige ausgewählte Schauspieler: Inghiramo als Principale der Truppe, die Darsteller des Königs und der schönen Angela und – vielleicht weil es als Hinweis auf Signora Seccis ungestüme Künstlerseele diente – Smeraldina und Arlecchino. Da Signora Seccis Enthusiasmus auch vor dem Kaffeehaus nicht haltgemacht hatte, konnten ihre Gäste an den Wänden Plakate vergangener Aufführungen aus dem Teatro Manzoni in Pistoia bewundern.
Cecilia ließ sich am Ende der Tafel nieder, in der Hoffnung, hier, wo der Schein des Kerzenleuchters kaum noch hinreichte, den Abend ungestört über sich ergehen lassen zu können. Sie war wenig verwundert, Rossi an ihrer Seite zu finden, aber empört, als Inghiramo frech auf den Stuhl zu ihrer Linken zusteuerte.
Er hauchte in ihr Ohr: »Ein Flüchtling, hab Erbarmen. Die Signora fordert ihren Dank zu gnadenlos.« Leutselig lächelte er der jungen Dame zu, die ihnen gegenüber saß. Das Mädchen war allerdings blind für seinen Charme. Es strahlte einen jungen Mann in einem erbsengrünen Justaucorps an, der neben ihr Platz nahm. Sie waren beide noch jung, das Mädchen vielleicht vierzehn, der Junge fünfzehn oder sechzehn, und so verliebt ineinander, dass um ihre glühenden Gesichter unsichtbare Rosen schwebten. Eine Frau drohte ihnen scherzhaft mit dem Finger.
»Und? Enttäuscht?«, fragte Inghiramo und tat, als gäbe es weder Rossi noch das verliebte Pärchen oder den Arlecchino, der sich mit Smeraldina an seiner anderen Seite niedergelassen hatte.
Cecilia suchte nach einer Antwort.
»Ich meine jetzt den König Hirsch .«
»Eine hübsche Moral«, bemerkte Rossi über die Plätze hinweg. » Ein jeder bleibt doch immer , der er war . Da ist was dran.«
Inghiramo beugte sich vor und nahm ihn mit seinem hochmütigsten Blick ins Visier. »Von allen Sätzen hat gerade dieser Ihr Herz getroffen? Ich bin erstaunt, Giudice. Ich hatte gedacht, die Justiz setze auf den pädagogischen Effekt. Die Prügelstrafe, der Narrenesel … Ein solcher Aufwand – und keine Hoffnung, dass der Mensch sich bessert?«
»Die Justiz setzt auf den gerechten Ausgleich. Wenn sich ein pädagogischer Effekt ergibt – umso besser.«
Die Spannung, die zwischen den beiden Männern herrschte, war mit den Händen zu greifen. Bitte, betete Cecilia, jetzt keinen Skandal. Seht ihr nicht, was ihr anrichtet? Die Augen der Gäste weilten ohnehin schon viel zu oft bei ihren Plätzen. Sie würden beobachten und später kommentieren, was sie aufschnappten, und hinzudichten, was sie nicht hatten verstehen können.
Sie versuchte abzulenken. »Beeindruckend, Signore Inghirami, wie Sie den König Hirsch auf die Bühne brachten. Ich muss Ihnen für einen unterhaltsamen Abend danken.«
»Wenn Gozzi Sie unterhielt, dann muss ich tatsächlich beeindruckend gewesen sein«, meinte Inghiramo lächelnd.
»Sie Ärger, Sie!« Signora Secci, die
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