Glaesener Helga
Toast angemessen. Auf die Tugend. Auf unseren Granduca Leopoldo, Signore, Signori!«
»Auf die Ziegenböcke, die die Gärten pflegen.« Rossi hatte es nur leise gemurmelt, aber Cecilia sah, wie Inghiramo ihn mit seinen hasserfüllten Augen anstarrte.
Sie wünschte von Herzen, sie hätte diesen Abend doch daheim verbracht.
15. Kapitel
K önig Hirsch war ein grandioser Erfolg gewesen, sowohl künstlerisch als auch gesellschaftlich. Diese Nachricht, die aus Signora Seccis Salon posaunt wurde, erfüllte das gesamte Valdinievole-Tal. Als die Erzkonkurrentin der Signora, die Ingenieursgattin Ginevra Bondi aus Monsummano, davon erfuhr, beschloss sie augenblicklich, ebenfalls eine Aufführung anzusetzen, und zwar in der verfallenen Burg oberhalb der Stadt. Eine Freilichtaufführung. Für ein Märchentheater versprach das eine fabelhafte Atmosphäre, wie sich jeder denken konnte, der etwas vom Theater verstand. Signora Secci, hieß es, sei verschnupft, weil sie ihrer Konkurrentin diesen stimmungsvollen Aufführungsort neide. Aber sie entschied sich, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
»Denn«, so sagte sie zu Cecilia, als diese ihr einen Dankesbesuch abstattete, »ich weiß, welch ein Glück es für diese armen Menschen bedeutet, vor ein Publikum zu treten. Ich kann also nur jeden Versuch, ihnen weitere Bühnen zu bieten, befürworten. Allerdings fürchte ich, dass der armen Ginevra nicht klar ist, welches Feingefühl und welche Tatkraft zugleich erforderlich sind, das Schauspielvolk zu einer gelungenen Aufführung zusammenzuführen. Und ich wünsche ihr sehr, dass es nicht regnet. Zu kalt wird es sowieso sein.«
»Hier im Teatro war die erste Aufführung, und deren Witz und Lebendigkeit wird sich schwer wiederholen lassen«, schmeichelte Cecilia und gab sich Mühe, sich wohlzufühlen in dem stickigen Salon mit dem Kaffee, den sie aus deutschen Tässchen trank, und den endlosen Monologen der Signora, die ihrer Unterhaltung dienen sollten.
Als sie zwei Stunden später mit der Versicherung entlassen wurde, dass ihre reizende Natur ihr sicher etliche Einladungen eintragen würde, wozu Signora Secci mit Freude einen Beitrag leisten werde, war sie halb tot vor Nervosität und Erschöpfung.
Da sonniges und mildes Wetter herrschte, hatte Cecilia ihren Besuch zu Fuß abgestattet, und nun musste sie wohl oder übel auch zu Fuß wieder hinauf nach Montecatini Alto. Irene, die sie begleitete, ächzte und grollte. Einen Moment erwog Cecilia, ihre Zofe allein in die Wohnung in der Via Guelfa zu schicken und selbst einen Spaziergang über die Wiesen zu machen. Die ersten zarten Blumenköpfe hoben sich aus dem Unkraut am Wegrand, der Himmel war so licht, dass er blendete – das Wetter wies jeden Gedanken an mörderische Hunde und ihre Besitzer ins Reich der Albträume.
Doch sie ließ Irene bleiben. Sie glaubte nicht mehr daran, dass die Lücken in ihrem Gedächtnis sich füllen würden, aber ein Schlag auf den Kopf war ein Schlag auf den Kopf. Und Vincenzo …
»Ist Ihnen nicht wohl, Signorina?«
Wie sollte ihr wohl sein? Vincenzo war wieder bei
seinen Eltern. Die mochten begriffen haben, zu welchen Taten ihr Sohn fähig war, aber zumindest der Mutter traute Cecilia zu, sich von ihm einwickeln zu lassen. Nur auf ein Stündchen … Ich muss hinaus … Ich werde in diesen Mauern verrückt … Ja, die Mutter würde nachgeben. Natürlich würde sie vorsichtig sein. Er hatte ihrer Tochter etwas angetan. Jemand muss dich begleiten … Gewiss , Mutter , der Junge aus dem Stall … Sein Kumpan. Der Mann, der auf einem Fuchs, in einen schwarzen Umhang gehüllt, Jagd auf die Zeugin machte, die zu viel gesehen hatte. Nicht sehr erfolgreich, denn als sie Marliana verließ, hatte er vor einem Glas Wein gesessen. Warum war der Kerl wohl nicht wieder aufgetaucht? Cecilia kam ein schrecklicher Gedanke. Wie mochte Vincenzo mit seinen Leuten umspringen, wenn sie ihn enttäuschten, ihm seinen Spaß verdarben?
Irene störte ihre Grübelei. »Ein wunderschönes Wetter, Signora Barghini. Wenn Sie mir allerdings die Bemerkung erlauben, vielleicht wäre die Kutsche die bessere Wahl gewesen. Natürlich darf Sie der Küchentratsch nicht interessieren, doch die Zofe der Signora wunderte sich, dass Sie den Besuch zu Fuß antraten, und es ist ja oft so, dass die Dienerschaft die Meinung ihrer Herrschaft wiedergibt.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht, Irene«, sagte Cecilia.
Als sie im Palazzo della Giustìzia eintrafen, fand Cecilia Leandro Cardini vor.
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