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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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meint, es hängt damit zusammen, dass ich … nun, ich laufe gelegentlich in Männerkleidern umher. Vielleicht ist es tatsächlich die Strafe Gottes. Was weiß ich schon, worüber sich jemand wie Gott ereifert …«
Die Eidechse bewegte die kleinen Füße mit den langen Zehen, als würde sie unruhig. Gab es einen Feind? Nein, sie entspannte sich wieder.
»Hat der Dottore Sie geschickt?«, fragte Roberta ohne besonderes Interesse.
»Nein, nein, ich … Offen gestanden, mich interessiert dieser Vincenzo … Sie wissen schon, der junge Mann …«
»Wer könnte Vincenzo vergessen?« Zum ersten Mal bemerkte Cecilia etwas wie Leben in den dunklen Augen der niedergeschlagenen Kranken.
»Er wohnt wieder bei seinen Eltern, ich weiß. Ich frage mich nur … In der Zeit, in der er hier untergebracht war …«
»Der Dottore verschweigt es?«
»Was meinen Sie?«, fragte Cecilia überrascht. »Er ist selbst ein bisschen verrückt, unser guter Dottore.« Roberta gab ein krächzendes Lachen von sich. »Der Junge ist zurückgekehrt. Er hält ihn in einem Zimmerchen im Westflügel – und bildet sich ein, den Tiger damit sicher im Käfig zu haben.«
»Oh!« Cecilia holte Luft. »Seit wann denn das?«
Keine bedrohliche Frage, aber es schien, als würde Roberta plötzlich kleiner, als schrumpfte sie zusammen. Cecilia blickte sich um, doch es hatte sich nichts verändert, keine Seele war zu sehen.
»Kann Vincenzo das Asyl verlassen?«, bohrte sie.
Die Malerin mummelte sich in die Wolle und zupfte mit den nackten Zehen die Enden der Decke um die Füße. »Ich bin müde«, murmelte sie.
»Seit wann ist er denn wieder zurück?«
»Nichts hat Sinn.«
»Roberta …« Cecilia stellte noch einige Fragen. Wusste man, warum die Eltern Vincenzo zurückgebracht hatten? Was sollte das heißen – bildet sich ein , den Tiger damit im Käfig zu haben? Die Frau gab auf keine von ihnen eine Antwort.
»Haben Sie ihm einen Schlüssel verschafft, Roberta?«, bohrte Cecilia.
Wieder nichts.
»Einen Schlüssel, Roberta. Wenn er einen Schlüssel besäße … wenn es ihm möglich wäre, das Asyl zu verlassen – es würde so vieles erklären.«
Die Eidechse schaute zu ihnen herüber. Dann schoss sie unter ein Gebüsch. Cecilia kapitulierte und erhob sich.
»Mir gefällt es, wenn aus dem Garten Eden bunte Vögel zu uns herunterflattern. Ich mag die Vielfalt«, sagte Roberta, als sie gehen wollte. »Aber dieses Biest hätte erschlagen gehört, als es aus der Schale kroch.«
    Da Arthur immer noch nicht in sein Asyl zurückgekehrt war, stellte Cecilia Signora Dolfi zur Rede. Die resolute Dame wurde zur Auster. Erst als Cecilia mit dem Giudice drohte, fand sie sich zur Auskunft bereit. Offenbar war Vincenzo aus der Villa seiner Eltern ausgebrochen. Man hatte ihn wieder eingefangen, aber seine Mutter war mit den Nerven am Ende gewesen und hatte den Dottore angefleht, ihren Jungen wieder aufzunehmen. Er hatte sich erweichen lassen.
    Signora Dolfi knackte wütend mit den Fingerknöcheln. Man war doch Mensch. Und natürlich wurde der Junge gut verwahrt. Besser als in jedem Gefängnis, in das man ihn sonst vielleicht geschickt hätte. Seit er sich sicher hinter den geschützten Mauern wusste, hatte er seinen Frieden wiedergefunden. Er war glücklich. Dass die Menschen nicht begriffen, wie schrecklich die Kranken unter ihrem Zustand litten.
    »Wie lange ist er wieder hier?«
»Was weiß ich?«
»Länger als drei Tage?«
»Ja«, knurrte die Signora, die nicht wusste, ob das
    eine gute oder eine schlechte Auskunft war.
    Vincenzo hätte also die Zeit gehabt, Leo zu töten. Und da ihm offenbar auch die Flucht aus der elterlichen Villa gelungen war: Hätte er nicht sämtliche Verbrechen begehen können, die im Zusammenhang mit den Hunden geschehen waren?
    Ein Mann, der durch Mauern geht … Cecilia schauderte. Nein, nicht durch Mauern, natürlich nicht. Aber ein Mann, der mit seinem irren und trotzdem so scharfen Verstand sämtliche Sicherheitsvorkehrungen außer Kraft setzen konnte. Der in jedem Käfig das Loch, in jedem Kerker den losen Stein fand. Mit Arthur darüber zu sprechen, würde allerdings sinnlos sein, wie immer.
    Niemand floh heimlich aus seinem Asyl.
    Wau !
    Goffredo erfreute Cecilia auf dem Weg in die Stadt zurück mit einigen Geschichten über Irre, die einander an schaurigen Details überboten. Er persönlich hatte allerdings nichts gegen das Asyl, solange die Gitter stabil waren, wie er mit einem Augenzwinkern bemerkte. Kurz vor dem Stadttor erzählte er von

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