Glaesener Helga
Zuträger werden nach der Güte und Wichtigkeit ihrer Informationen bezahlt.« Das war wieder
Rossi, und ganz sicher spürte er in diesem Moment die
Striemen auf seinem Rücken.
Cecilia wartete, dass er den Namen Inghiramo
nannte. Ein Dichter, der zu jedem Salon Zutritt hatte.
Der bei den Reichen wie bei den Armen ein und aus
gehen konnte, ohne Verdacht zu erregen. Ein Mann,
der sich ein Zubrot verdiente, indem er dem Granduca
zuflüsterte, was man in seinem Land über ihn munkelte. Und der auch bereit war zu morden und zu quälen, um die Informationen zu erpressen, für die er seinen Judaslohn einheimsen konnte?
Das glaube ich nicht, empörte sich Cecilia innerlich. Nicht das Letztere. Worauf beruhte ihr Unglaube?
Auf der Erinnerung an verliebte Blicke und einige Küsse? Er hätte nicht versucht, auf mich zu schießen, das
nicht, dachte sie. Und wenn er gar nicht auf sie, sondern auf Rossi gezielt hatte, den er hasste? Aber wie
hätte er sicher sein können, den Richtigen zu treffen?
Und wenn sie ihm inzwischen gleichgültig war? Nein
… nein, er hatte sie zu seiner Aufführung nach Monsummano eingeladen.
»Was willst du nun unternehmen?«, fragte Secci. »Cecilia …«
Dieses Mal gehorchte sie der Aufforderung. Rossi
war verblendet durch seine Abneigung gegen den
Schauspieler. Es lohnte nicht mehr, seine Theorien
anzuhören.
Zumindest war er so anständig, sie später darüber
aufzuklären, dass Guido Brandi nicht wusste, ob es
sich bei seinem mysteriösen Besucher um Inghiramo
gehandelt haben könnte. »Er hat kein Gedächtnis für
Menschen.«
An diesem Tag war es zu spät, aber gleich am nächsten Morgen besuchte Cecilia Signore Chionas Geschäft für Allerlei , wie er es nannte. Der Mann war Mailänder und lehnte es ab, sich zu spezialisieren, weil er so viele Dinge liebte, und was er liebte, kaufte er ein, und was er einkaufte, verkaufte er wieder. Dort fand sie zwar keine Ölfarben, aber eine Palette und einige Pinsel. Anschließend suchte sie Goffredo auf und bat ihn, sie zum Asyl zu begleiten.
Arthur war, wie sich herausstellte, ausgefahren, was ihr Vorhaben um einiges erleichterte. Cecilia erklärte der liebenswürdigen Signora Dolfì ihr Begehren und fand freundliche Zustimmung. Signora Martello würde sich zweifellos über einen Besuch freuen. Sie war in letzter Zeit so niedergeschlagen. Ein Trauerspiel! »Wenn sie sich wohlfühlt, kommt die Sonne ins Haus, wenn es ihr schlecht geht, stehen wir alle im Regen.«
Roberta saß in dem großen Innenhof des Spitals, und Cecilia war einigermaßen erschrocken, als sie die Gestalt musterte, die mit angezogenen Beinen auf einer Bank hockte, den Blick ins Leere gerichtet, unbeeindruckt vom sprießenden Grün und den aufgeregten Vögeln, die Material für ihre Nester suchten.
»Aber liebe Signora – was ist geschehen?«
Sie bekam keine Antwort. Unaufgefordert setzte sie sich neben die Kranke, und weil die Stille so drückend war, sprach sie über die Vögel. Schließlich kramte sie die Palette hervor.
»Ich kann nicht malen«, sagte Roberta – was zumindest eine Reaktion darstellte.
»Wie können Sie so etwas behaupten, meine Liebe?«
»Ich bin verrückt.« Aus Robertas Brust löste sich ein abgrundtiefer Seufzer. »Verstehen Sie? Hier oben. Im Kopf.« Sie hämmerte gegen ihre Stirn. »Ich male und bin dabei wie besessen und bilde mir ein, den göttlichen Funken in mir zu spüren, und weil der Dottore ein Wissenschaftler ist, der sich des Erfolges seiner Experimente rühmen will, lobt er mein Geschmiere. Jeder lobt es. Die arme Roberta, … so wirr …. Aber ihre Bilder sind hübsch, nicht wahr? … Die Wahrheit ist, ich besitze nicht das geringste Talent. Ich kleckse herum.«
»Das können Sie doch nicht ernstlich glauben. Erinnern Sie sich an das Bild mit dem Garten und dem Einhorn? Es ist wunderschön!«
Roberta hüllte sich enger in die Decke, die sie mit in den Hof genommen hatte. Sie fand es offenbar nicht der Mühe wert, auf Cecilias Widerspruch zu reagieren.
Impulsiv legte Cecilia den Arm um die Schulter der Frau. Es fühlte sich an, als berührte sie einen Stein, und sie musste sich beherrschen, ihn nicht augenblicklich zurückzuziehen. Gemeinsam schauten sie einer Smaragdeidechse zu, die sich auf der Brunnenbrüstung in der Sonne wärmte.
»Ich lebe in Bergen und Tälern«, sagte Roberta. »Gestern stand ich auf dem Gipfel des Berges, und heute hat es mich hinabgeschmettert. Ich bin krank, ganz ohne Zweifel – da hat der Dottore recht. Mein Bruder
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