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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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zwischen die Rippen zu schlagen, oder es auf den Körperteil zu richten, mit dem er sie jetzt gerade zu bedrängen begann. Cecilia tastete mit der Hand, die nicht zwischen seiner und ihrer Brust eingequetscht war, nach dem Band, das das Täschchen verschloss, während sie gleichzeitig aufpassen musste, dass es ihr nicht entglitt … Das Kunststück war zu schwierig. Pistole und Beutel fielen zu Boden.
… und plötzlich löste sich der Druck auf ihren Mund.
Überrascht hob sie den Kopf. Sie blickte in Inghiramos verzerrtes Gesicht, zuckte zurück, als er zu taumeln begann – und schrie leise auf, als er wie von einem Blitz gefällt zu Boden stürzte.
»Dreckskerl«, fluchte Rossi und dann, in ihre Richtung: »Wie kann man nur so dämlich sein!« Er rieb sich die Faust. Sein Haar hing ihm klatschnass in die Stirn, und er keuchte.
Bestürzt blickte Cecilia auf den Mann, der vor ihr auf dem Boden saß, und Scham stieg in ihr auf. Das, dachte sie, ist billigstes Komödiantentum. Nennt mich Smeraldina, denn diese Rolle vermag ich offenbar am besten auszufüllen. Inghiramo schielte zu Rossi herauf, der ihn seinerseits betrachtete, als würde er mit Freuden noch einmal nachtreten. Sie würde sich für den Rest ihre Lebens wie eine dumme Pute fühlen, wenn sie sich an dieses Bild zurückerinnerte.
»Du schuldest mir einen Strumpf«, sagte sie tonlos zu der Gestalt zu ihren Füßen.
»Was?«
»Den du mir gestohlen hast. Aus meiner Kommode. Du kannst ihn behalten.«
Inghiramo blinzelte.
»Der Strumpf!«, wiederholte sie, verärgert über seine Begriffsstutzigkeit. »Du bist in meine Wohnung eingedrungen und hast mir einen Strumpf gestohlen.«
»Gequirlter Mist«, murrte Inghiramo und setzte sich auf.
Sie blickte in seine verdrossene Miene und glaubte ihm.
Wauwau …
Das also war klar. Nicht Inghiramo – der Irre aus dem Asyl hatte sich in ihrer Kammer zu schaffen gemacht. So nah ist er mir gewesen, dachte Cecilia, und das war kein Spaß mehr. Sie spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich, und wandte den Kopf, damit niemand etwas bemerkte. Der Regen trommelte auf das Blätterdach. Der Mond barst vor Neugierde.
»Was ist? Willst du eine Anzeige erstatten? Ich rate dir davon ab«, brummte Rossi.
Sie nickte. Keine Anzeige. Was wollte sie auch anzeigen? Dass sie eines dieser hirnlosen Geschöpfe war, die den gleichen Fehler wieder und wieder begingen? Nur fort von hier. Gehen wir, wollte sie sagen …
In diesem Moment gab es hinter ihr einen ohrenbetäubenden Knall.
    Inghiramos Gesicht verwandelte sich vom bleichen, mürrischen Oval in eine blutende Masse, aus der gelbe und rote Flüssigkeit spritzte wie bei dem Feuerwerk. Die Flatschen trafen die Blätter der umliegenden Büsche, den braunen Boden und einige von ihnen Rossis Justaucorps. Inghiramo kippte auf den Rücken, eine unendlich langsame Bewegung, die sich in Cecilias Gedächtnis brannte, genau wie der Anblick seines Fußes, der sich im Fallen so drehte, dass das Loch in der Sohle seines Stiefels sichtbar wurde – als wollte der arme Mann im letzten Augenblick seines Lebens ein Bekenntnis zur Wahrheit ablegen.
    Sie sah, wie Rossi zurückwich. Er hob die Arme, runzelte die Brauen, versuchte zu begreifen … Er starrte an ihr vorbei. Also musste jemand hinter ihr stehen. Natürlich. Von dort war ja auch geschossen worden, begriff sie, als hätte sie ein kompliziertes Rätsel entschlüsselt. Rossi blickte in den Lauf der Pistole, die Inghiramo niedergestreckt hatte. Eine mehrläufige Waffe mit der Möglichkeit, einen weiteren Schuss abzugeben? Es musste so sein, sonst würde er sich kaum so zahm zeigen. Der Mörder konnte also noch wenigstens ein Mal feuern.
    Rossi hob die Arme ein wenig höher, als man es ihm befahl. Cecilia wollte es ihm gleichtun, aber sie konnte nicht. Beim besten Willen. Das einzig Lebendige an ihrem Körper war ihr Herz, das ratterte wie eine von Brandis Maschinen.
    Hinter Rossi tauchte eine Person auf. »Lass ihn nicht aus dem Auge.« Ein unter einer Kapuze verborgener Schatten mit einer weiblichen Stimme, die merkwürdig gedämpft klang, wie überhaupt alles gedämpft klang. Sicher hing das mit dem Schuss zusammen, der dicht an ihrem Ohr abgefeuert worden war.
    »Ich fessele ihn.«
    Eine weibliche Stimme. Schlag fester … Weiblich? Warum hatte sie sich nie daran erinnert, dass die Stimme, die diese Aufforderung gegeben hatte, weiblich gewesen war?
    Smeraldina warf die Kapuze zurück. Sie lächelte Cecilia zu. Die Schminke der Aufführung war im

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