Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
Vom Netzwerk:
bildeten.
Cecilia setzte sich auf ein Kanapee neben eine Dame, die zumindest so normal war, dass sie in dem Notenheftchen blätterte, welches man ihr gereicht hatte. Zu Cecilias Linken ließ sich ungefragt eine ältere Frau nieder, die eine reichlich gepuderte weiße Perücke trug, nach Zimtwasser roch und über ihr Kleid einen maskulin wirkenden Caraco gezogen hatte, in dem sie aussah, als wäre sie gerade von einem Spazierritt zurückgekommen. Sie neigte höflich den Kopf.
In einem Sessel thronte in einer Robe aus blauem Musselin Signora Fabbri, die Frau des Magistrats, und ein Stück weiter hatten sich Abate Brandi und ein Mönch niedergelassen – wenigstens drei weitere Personen, von denen Cecilia wusste, dass sie gesunden Geistes waren. Sie lächelte ihnen zu.
Während Arthur den Deckel des Virginals aufklappte, versuchte Cecilia sich vorzustellen, wie es wäre, tatsächlich als Signora Billings durchs Leben zu gehen. Sie sah sich selbst, wie sie sich auf einer Chaiselongue an den Samt seiner moosgrünen Weste schmiegte und seiner Stimme lauschte, die mit Wärme über die Fortschritte seiner Pfleglinge berichtete. Nun ja …
Bisher hatte sie es vermieden, sich über ihre Zukunft allzu konkrete Gedanken zu machen. Aber jetzt war der Brief aus dem Kloster gekommen. Dina würde in absehbarer Zeit zu den Nonnen übersiedeln, und dann wäre Cecilias Anwesenheit im Haus des Richters überflüssig. Kein Kind, keine Gouvernante, nicht wahr? Wie sollte es dann weitergehen? Sie hatte vor geraumer Zeit auf einige Annoncen geantwortet. Eine Signora Pontelli in Padua hatte mitgeteilt, dass sie eine Hausdame für ihre verheiratete Tochter suche, welche an einer Lungenkrankheit litt. Die Antwort, die durchaus freundlich geklungen hatte, bewahrte sie in ihrer Kommode auf.
Bin ich tatsächlich anstrengend?
»Roberta Martello. Nennen Sie mich Roberta«, murmelte Cecilias Nachbarin mit dem Caraco, während Arthur versuchte, auf dem Virginal die Stimme des Soprans zu spielen. »Ich bin nicht verrückt …« Sie stieß Cecilia mit dem Ellbogen an. »Ich bin Malerin. Ich beabsichtige, das Gastmahl des Färberleins zurückzuverwandeln. Kennen Sie ihn? Veronese Tintoretto? Das Gastmahl im Haus des Levi? Wunderbares Licht. Tausendfach variierte Schatten. Da war er unschlagbar, der gute Tintoretto. Er wollte in seinem Gastmahl den Herrn loben …«
Rossi nahm einer Dame, die hinter ihm saß, das Zopfband ab, das sie ihm aus den Haaren gezogen hatte. Sie zeterte ein bisschen, dann faltete sie vergnügt Papierblumen aus ihren Notenblättern. Rossis Nachbar verschob mit der Schuhspitze eine Bodenpflanze, so dass ein Farn ihnen ins Gesicht wedelte. Rossi drehte den Farn, was zu einem kleinen Gerangel führte. Schließlich beruhigte auch dieser Patient sich wieder.
»… bekam er Ärger mit der Inquisition«, flüsterte Roberta. »Unschicklich … man sah das Knie des heiligen Johannes …«
»Bitte?«
»Das Knie. Johannes hüpft und lupft dabei sein Gewand …«
Arthur klopfte missbilligend mit der Hand auf den Deckel des Virginals, und Cecilia lächelte entschuldigend.
»Deshalb machte das Färberlein aus dem Abendmahl des Herrn das Gastmahl des Levi . Wer möchte schon in den Bleikammern braten, nicht wahr?« Roberta entfaltete umständlich ihr Notenblatt. Der Alt war an der Reihe, und sie besaß eine voluminöse Stimme, der man anhörte, dass sie Gesangsunterricht genossen hatte. Sobald sie ihren Part gesungen hatten, wandte sie sich wieder Cecilia zu. »Tintorettos Wunder
– das Spiel von Licht und Schatten – gehört dem Sohn Gottes. Ich bin das Licht der Welt … Könnte man es eindeutiger formulieren? Das Licht ist das Zeichen Gottes. Ich bin ein frommer Mensch, im Grunde meines Herzens …«
Nun sangen die Männer. Rossi besaß einen schönen, sehr weichen Tenor, und es machte ihm keine Schwierigkeiten, die Höhen zu erklimmen, die vorgegeben waren. Außerdem sang er nach Noten. Beides verblüffte Cecilia. Sie war überzeugt gewesen, dass sämtliche Talente, die Dina in Bezug auf die Musik besitzen mochte, von ihrer Mutter stammten – nun war sie nicht mehr so sicher. Verflixt, Rossi, seit wann lernt man in der Gosse, Motetten zu singen?
»Er ist verdorben.«
»Bitte?«
Roberta neigte ihren Kopf so dicht an Cecilias, dass diese den Puder ihrer Perücke einatmete und niesen musste. »Die meisten hier sind arme Teufel. Ein Wumm … ein Unfall in den Nervenbahnen – der Dottore erklärt das wunderbar. Ich selbst kaufe Ateliers.

Weitere Kostenlose Bücher