Glaesener Helga
versuchte nicht auf den Stich zu achten, den seine letzten Worte ihr versetzten.
»Was ist also?«
»Wegen Dina würde ich vielleicht bleiben«, erklärte sie spröde.
Die Wohnung, die Rossi für sie mieten wollte, besaß vier Zimmer, und Signora Seccis Schwiegermutter hatte darin ein äußerst zufriedenes Leben geführt, obwohl ihre schlimme Hüfte ihr nur wenige gesellschaftliche Zerstreuungen erlaubt hatte. »Die Gute, wenn sie auch einen nachgiebigen Charakter besaß. Mutter, habe ich oft genug gesagt, Eletta – das war ihre Zofe – Eletta tanzt dir auf der Nase herum. Merkst du das nicht? Habe ich das nicht immer zu ihr gesagt, Renato?«, begehrte Signora Secci von ihrem Mann zu wissen.
Signore Secci antwortete nicht, was seine Gattin weder wunderte noch störte. Sie plapperte weiter, während sie in den Salon schritten, der unerwartet große Ausmaße besaß. Die Wände waren in froschgrüner Farbe gestrichen. Das Mobiliar bestand aus einem altmodischen Sofa und dazu passenden Nussbaum-Fauteuils, deren Polster hässliche Obstkorbmotive aufwiesen. An der Wand stand ein Konsolentisch mit Marmorplatte, an einer anderen Wand ein Schrank mit Gittertüren, hinter dem weißes Porzellan aufblitzte. Auf dem Konsolentisch tummelten sich verschiedene Parfüm-Terrinen – offenbar Ausdruck einer Sammelleidenschaft, die die verstorbene Signora Secci gehegt hatte.
»Wir überlassen Ihnen die Einrichtung selbstverständlich zum Gebrauch. Mutter hat dieses Zimmer wenig benutzt, sie war so eine bescheidene Person, stimmt’s, Renato? Für ihren Alltag bevorzugte sie das Speisezimmer, in das sie allerdings nie Gäste lud – daher werden Sie auch keinen großen Tisch vorfinden. Oh, und nach einer Küche werden Sie ebenfalls vergeblich suchen, da wir Mutter zu den Mahlzeiten selbstverständlich immer zu uns holten. Ich hoffe, das stört Sie nicht?«
»Nein«, meinte Cecilia, überwältigt von der Scheußlichkeit des Porzellans. Es störte sie tatsächlich nicht. Anita konnte für sie und Irene mitkochen und das Essen vorbeibringen, wenn sie nicht sowieso an Rossis Tisch aßen. Das war billiger und weniger umständlich.
»Wenn Sie Gäste bewirten wollen, können Sie gern auf meine Köchin zurückgreifen«, bot Signora Secci großzügig an. »Aber Sie neigen ja nicht zur Geselligkeit, da ähneln Sie meiner verehrten Schwiegermutter, nicht wahr?«
Dieser kleine Seitenhieb war verdient. Signora Secci hatte Cecilia bereits zweimal an ihre Tafel gebeten, und die Regeln der Höflichkeit schrien nach einer Gegeneinladung. Aber Rossi mochte keine Gäste, und in diesem Punkt, fand Cecilia, besaß er die Rechte des Hausherrn. Sie strich mit der Hand über die seidige Decke, die den kleinen, runden Tisch am Fenster bedeckte, und fragte sich, ob sie selbst Lust hätte, die Damen von Montecatini zu sich einzuladen. Warum nicht? Warum eigentlich nicht?
Die Signora schritt mit leutseligem Lächeln ins letzte Zimmer. »Sehen Sie? Und dieses hier war Mutters Reich.«
Mutters Reich strotzte vor überladener Geschmacklosigkeit. Unverzüglich erschien vor Cecilias innerem Auge eine Liste: Die lebensgroße Sklavenstatue, zu deren Füßen sich Drachen wanden und die als Vasenständer diente, musste hinaus. Die unzulänglich gekleideten Marmordamen in den Zimmerecken ebenfalls. Die Tischlampe – ein ägyptischer Herr aus schwarzem Onyx, dem ein Porzellanspiegel aus dem Haupt wuchs … Gütiger, hatte sich die ältere Signora Secci ein Kabinett stummer Figuren zum Plaudern ins Haus geholt? Cecilia machte in Gedanken eine Verbeugung vor der Lampe. Sie missfallen mir , werter Signore Egiziano . Würde es Sie stören , in die Rumpelkammer umzusiedeln? Durchaus honoriges Domizil …
»… halte ich nicht viel vom fahrenden Volk. Aber als ich hörte, dass sie König Hirsch aufführen …«
» König Hirsch? « Cecilia horchte auf.
»… habe ich meinen Mann sofort gebeten, sich für die Sondererlaubnis einzusetzen, stimmt’s, Renato?«
» König Hirsch wird tatsächlich hier aufgeführt?«, fragte Cecilia.
»Meine liebe Signorina Barghini, das sagte ich doch eben.« Signora Seccis teigiges Gesicht, unter dem sich mehrere Kinne wie ein Wasserfall drapierten, verzog sich im Bemühen um Geduld, während sie ihre Begleiterin aus dem Speisezimmer hinaus und in die Schlafkammer führte. »Ich bin nur eine unwissende Theaterliebhaberin, dass Sie mich nicht missverstehen – auch wenn es Menschen gibt, die mir ein natürliches Gespür nachsagen, was die
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