Glaesener Helga
Beurteilung von Theaterstücken angeht. Tatsächlich diskutierte ich mit Antonio Sacchi – Sie kennen ihn sicher, in Pistoia wurde seine Turandot auf zwanzig Vorhänge beklatscht … Nun, er geruhte, mir ein ausgewogenes Urteil zuzusprechen, als ich ihn auf die Darstellung …«
»Wollen Sie die Wohnung denn nehmen?«, fragte Signore Secci.
Das Schlafzimmer war ein kleiner Raum mit einem riesigen Bett, aber Cecilia hatte nicht die Geduld, ihm ihre Aufmerksamkeit zu schenken.
» König Hirsch wurde von Carlo Gozzi erschaffen – dem Gott unter den Theaterdichtern«, erläuterte Signora Secci mit der gedämpften Begeisterung einer Autorität. »Er modernisierte die alte italienische Tradition, was gewiss nötig war, aber er weigerte sich, die Theaterbretter mit modernen französischen Ideen zu besudeln, und darin tat er recht.«
O Nein! Nein, Carlo Gozzi war ein Gimpel, der sich an die traditionellen Maskenfiguren der Commedia dell’Arte klammerte, weil er nicht begreifen wollte, dass ein neues Zeitalter herandämmerte. In Inghiramos Worten: Ein kleiner , selbstverliebter Scheißer . Inghiramo hatte ihn nicht ausstehen können. Sogar in jener letzten gemeinsamen Nacht, als er Cecilia in Großmutters Gartenhäuschen zur Närrin machte, hatte er über Gozzi gelästert, den Hasenfurz – verzeih , Liebste – , der die Welt von vorgestern mit müden Scherzen dekorierte, und das als Revolution erscheinen lassen wollte. Und nun wurde Gozzis König Hirsch in Montecatini aufgeführt.
Und ich seh’s mir trotzdem an, mein Lieber, und ich werde klatschen, bis mir die Hände wund sind, schwor sich Cecilia.
»… muss man natürlich bereit sein. Ich habe zu Signore Secci gesagt: Signorina Barghini besitzt Kultur. Sie kommt aus unseren Kreisen, sie wird die Bedeutung verstehen. Habe ich das nicht gesagt, Renato? Wenn es jemandem gelingt, Giudice Rossi zu überzeugen, dann ihr.«
Bitte? Ich sollte besser zuhören, dachte Cecilia. »Ein so passender Ort. Ein Glücksfall für unser kleines Städtchen. – Sie werden Bescheid geben, sobald Sie die Wohnung zu beziehen wünschen, nicht war, meine Liebe?«
»Das werde ich.«
»Ganz unter uns …« Die Signora lächelte sie an. »Ich empfand eine gewisse Erleichterung, als Giudice Rossi mich darüber in Kenntnis setzte, dass Sie sich Ihr eigenes Heim zu schaffen wünschen. Nicht, dass ich auf das Gerede der Leute etwas gäbe, aber ich hege Sympathie für Sie, und es ist mir natürlich klar, dass man sich in der Jugend mit einer gewissen Unbekümmertheit in Umstände stürzt, die von erfahreneren Menschen sofort als schädlich für den Ruf erkannt worden wären. Aber seien Sie versichert – es wird mir eine Freude sein, an den entsprechenden Stellen Ihren Entschluss wohlwollend zu erwähnen.«
6. Kapitel
A m Donnerstag der folgenden Woche wurde in der Nähe von Monsummano ein Trüffelhund getötet. In Stücke gerissen. Buchstäblich. Seine Körperteile wurden auf einem Areal von der Größe eines Marktplatzes verstreut gefunden. Der Hund hatte Avidità geheißen
– Habsucht – und seinem Besitzer mit seiner feinen Nase vierzig Skudi pro Jahr eingebracht. Er war auf den Tartufo Uncinato spezialisiert gewesen, den er unter den Wurzeln der Flaumeichen roch wie andere Hunde den Dung ihrer Artgenossen. Ein Genie sozusagen, auch wenn er zum Kotzen neigte, weil er gern Gras fraß, was man ihm einfach nicht abgewöhnen konnte.
Nazario, sein Besitzer, war mit ihm in aller Früh zur Trüffeljagd aufgebrochen, an einen Ort, den er nicht nennen wollte, weil er schließlich kein Idiot war. Avidità war vorausgelaufen … und dann Gebell … und dann ein Geheul, das Nazario, wie er schwor, sein Lebtag nicht vergessen würde …
Rossi erfuhr all das von seinem Kollegen aus Monsummano, Giudice Leandro Cardini, der ihn am Vormittag des darauffolgenden Tages besuchte. Cardini war ein liebenswerter Mann von schlanker Statur, mit nachdenklichen Augen und weiblich geschwungenen Lippen. Er kleidete sich dezent, aber mit Geschmack, und für seine Manieren hätte er sich selbst am Hof von Florenz nicht schämen müssen.
Cecilia beobachtete ihn, als er sich von Rossi den Fiasco reichen ließ, die Korbflasche mit dem roten Bauernwein. Cardini prostete seinem Gastgeber zu und trank wie Rossi aus der Flasche. Er tat das mit so viel ehrlicher Sympathie, dass Cecilia ihn augenblicklich ins Herz schloss.
Der Hund war von anderen Hunden gerissen worden, so viel stand fest. Und Valerio Savorelli, der Magistrat
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