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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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Arbeit geworden … Es ist immer günstiger, das Kaminfegen dem Handwerker zu überlassen, wenn Sie mir die Bemerkung erlauben.« Er blickte sich um und kratzte sich den wolligen Kopf. »Die Decke werde ich selbst reinigen. Und, wenn ich das vorschlagen darf- es soll ja auch gut aussehen –, mit Hölzern verkleiden.«
    »Sollen die Hölzer mit durchsichtigem Lack oder mit Farbe gestrichen werden?«, fragte Cecilia Rossi, als sie ihn später in seinem Zimmer aufsuchte.
    »Was für Hölzer?«
»Papiermaché kommt nicht infrage, und Stuck macht zu viel Schmutz. Natürlich Holz. Ich rede von den Decken.«
»Warum wird nicht einfach drübergemalt?«
»Weißes Holz«, entschied Cecilia. »Dein Haus ist eine Höhle. So richtet man sich heute nicht mehr ein.«
Er lehnte sich zurück. Wenn er kein weißes Holz wollte, war es ihr gleich. Es war sein Zuhause. Sie würde sowieso in Kürze ausziehen. Und sie war keineswegs anstrengend .
»Das hört sich an, als würden hier bald Möbel geschleppt.«
»In jeder Suppe schwimmt ein toter Fisch«, beschied ihm Cecilia.
Er dachte nach und hob schließlich den Kopf. »Hättest du etwas dagegen, mich heute Nachmittag zu begleiten?«
»Wohin?«
    Die Sonne schien auf das Fischerhaus, zu dem er sie brachte, und verlieh ihm einen romantischen Glanz, der verblich, je näher sie herankamen.
    Die Wände waren aus krummem Fachwerk gebaut, das die Bewohner mit einem Gemisch aus Lehm und Binsen ausgestopft hatten. Von außen wirkte es ärmlich, aber einigermaßen in Schuss, doch wenn man das Innere betrat, war es, als klatschte einem das Elend mit blanker Hand ins Gesicht.
    Die Familie, die das Häuschen bewohnte, besaß kein einziges Möbelstück. Nur Strohmatten, auf denen die Menschen lagen, als hätte eine Krankheit sie niedergeworfen. Kleine Hügel unter löchrigen Decken, auf die durch die Ritzen in den Wänden Lichtbänder fielen. Die Krankheit heißt Hunger, begriff Cecilia, als sie die eingefallenen Wangen der Frau und die dürren Arme und Beinchen der Kinder sah, die sich mühsam hochrappelten, als sie mit Rossi eintrat.
Wenn Kinder nicht mehr die Kraft zum Spielen finden … Ihr Herz zog sich vor Mitleid zusammen. Ganz so schlimm war es am Ende nicht. Es zeigte sich, dass die Mutter nur geruht hatte, und als sie ihren Kleinen die Erlaubnis gab, stoben sie durch die Tür ins Freie. Und doch sahen sie halb verhungert aus unter den viel zu dünnen Kleidern. Ihre Augen wirkten in den mageren Gesichtern riesig.
    Rossi begrüßte erst die Frau und dann einen alten Mann, den er Adolfo nannte. Cecilia erinnerte sich, ihn im Teatro gesehen zu haben, als der Prozess gegen Francesca Brizzi geführt worden war. Hatte Rossi nicht auch von einem Adolfo geredet, der ihm bei den Hunden geholfen hatte? Er war ein glatzköpfiger Greis um die sechzig mit Segelohren, einem abgeklärten Gesicht und einem von Lachfältchen umkränzten Mund.
    »Willkommen«, sagte die Frau, und Cecilia erwiderte mit einem Lächeln, das sie sich abquälen musste, den Gruß.
    Rossi fragte den Greis, ob er Lust zum Möbelschleppen habe. Es war Cecilia peinlich zu sehen, wie die Augen der Frau aufleuchteten und dann ängstlich wurden, als Adolfo zu zögern schien. »Aber ja. Er kommt mit. Das macht er gern. Und Leo auch. Leo ist stark!«
    Adolfo zögerte immer noch. Dann lachte er. »Ein alter Verstand und junge Muskeln.«
Rossi nickte und gab ihm die Hand drauf. »Gleich morgen früh?«
Eines der Kinder hatte offenbar die Erlaubnis zum Spielen verschlafen. Es hockte neben einem Stapel sauber aufgeschichteter Netze, den Kopf im Kleid vergraben, in der Hand ein kleines, weißes Ding, das es selbst im Traum noch fest umklammerte.
Die Fischersfrau war Cecilias Blicken mit den Augen gefolgt. »Oh pfui!« Rasch trat sie herzu und öffnete die Kinderhand, ohne die Schlafende zu wecken. Ein Stückchen Fisch wanderte in den Topf zurück.
»Morgen früh?«, wiederholte Rossi.
Adolfo nickte und blinzelte ihm zu.
Cecilia starrte immer noch auf das Händchen. Es war runzlig und voller brauner Flecken. Dort schlief kein kleines Mädchen, ging ihr auf, sondern eine alte Frau. Eine Greisin, die offenbar so hungrig war, dass sie Essen stibitzte und hamsterte. Schockiert folgte sie Rossi ins Freie.
Die Kinder hatten ein Stück Boden festgetreten und kickten vom Wasser rund gewaschene Kiesel in eine Sandkuhle.
»Hast du das gesehen, Rossi? Die alte …«
»Ich weiß.«
»Wie hungrig muss sie sein, wenn sie der eigenen Familie das Essen

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