Glaesener Helga
reagierte ihr Körper mit einer Leidenschaft, die jedes andere Gefühl der Lüge strafte. Halte mich fest, … bleib, … o Gütiger, Inghiramo … Eine Welle des Verlangens, der Sehnsucht überspülte sie …
Sie begann zu keuchen, dann zu weinen. Mit einem Ruck machte sie sich frei und gab dem Mann, der sie umfasst hatte und sie voller idiotischer Zärtlichkeit anlächelte, eine Ohrfeige.
Als sie in ihr Zimmer stürzte, weinte sie immer noch. Es war mehr als Tränen, was ihr aus den Augen quoll. Es war Wut, Ekel, Selbsthass und noch vieles andere, für das sie keine Worte fand. Sie verkroch sich in ihren Kissen. Nur mit Mühe brachte sie es fertig, Luft zu holen. Ihre Gefühle schüttelten sie. Inghiramo war ihr also gefolgt. Er hatte es fertiggebracht … Sie riss den Knopf an ihrem Mieder auf. Er glaubte tatsächlich … O Gott, sie merkte, wie ihr schlecht wurde. Noch mehr Luft … Haltung, Herrgott noch mal … Wie konnte er es wagen …
Jemand klopfte an ihre Tür.
Sie tat, als hörte sie nichts. Inghiramo – der Mistkerl, das widerliche Stück Dreck – würde sich nicht trauen, ihr in ihr Schlafzimmer zu folgen. Obwohl: Warum nicht? Er war nach Montecatini gekommen. Er hatte die Unverschämtheit besessen, das Nest anzugreifen, für das sie Zweig um Zweig zusammengetragen hatte, um sich nach seinem Verrat ein Stück Sicherheit zurückzuerobern. Plötzlich war sie nur noch wütend.
Es klopfte erneut, dann trat Rossi ins Zimmer. »Was ist passiert?« Er kam zu ihr ans Bett, die Hemdsärmel hochgekrempelt, die Lippen weiß vor Wut. Es sah ein bisschen so aus, als ob er die Zähne fletschte, wie Ferettis Hündin. »Cecilia, was haben sie getan? Was haben diese Mistkerle …« Er beugte sich über sie.
»Nichts.«
Seine Augen suchten ihr Gesicht ab, ihren Oberkörper. Was bildete er sich ein? Dass man ihr die Kleider vom Leib gerissen hatte?
Er packte sie bei den Oberarmen. »Ich werfe sie raus, sofort!« Es war ihm ernst damit, das hörte sie an seiner Stimme. »Was ist passiert?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Cecilia!«
Sie blickte ihn an. Zum ersten Mal seit langer Zeit sah sie wirklich sein Gesicht. Sie sah den Mann, mit dem sie zwar nicht das Bett, aber den Speisezimmertisch und das schäbige Dach über dem Kopf und das Porzellan mit den angeschlagenen Tellern teilte. Er hatte schöne Augen, schwarz, glänzend. Er war schlecht rasiert und hatte sich bei der Prozedur in die Lippe geschnitten. Er war ihr so vertraut, dass es wehtat. Sie wollte, dass er sie in die Arme nahm und tröstete, und sie wünschte ihn und sich dafür zum Teufel. Männer! Immer waren es die Männer … »Es gab ein Missverständnis.«
»Was für …«
»Im Grunde gar nichts.«
»Dina sagt, du hast einen der Kerle geohrfeigt. Der besoffene Schwarze, der das Pack in Zaum halten soll, ist zu mir gekommen, um sich zu entschuldigen. Und du sagst, es sei nichts passiert?«
Wieder überschwemmte sie eine Welle der Übelkeit. Besten Dank, Inghiramo. Großmutters Gartenhäuschen war dir als Bühne nicht genug? Das Drama soll noch einmal im großen Saal aufgeführt werden? Scheißkerl. »Ein Missverständnis«, wiederholte sie, während sie sich aufsetzte und an ihren Knöpfen fingerte.
Und am Ende – war das nicht die Wahrheit? Der Mann, der sie geschwängert und dann im Stich gelassen hatte, war ihr nach Montecatini gefolgt. Aber sie hatte ihm mit einer Ohrfeige klargemacht, was sie davon hielt. Und da er das arroganteste Geschöpf unter Gottes Himmel war, würde er ihr gekränkt den Rücken kehren. Fertig.
»Cecilia …«
»Einer der Schauspieler hat mich offenbar mit einer Komödiantin verwechselt und versucht, mich zu küssen. Das war alles. Ich kümmere mich um das Essen.«
Natürlich hatte er die Stadt unverzüglich verlassen. Die Schauspieler probten weiter, aber gleich, wie Cecilia lauschte – in dem Deklamieren, das durch die Wände drang, tauchte niemals seine Stimme auf. Sie konnte seine magere, in trübsinniges Schwarz gekleidete Gestalt auch nicht entdecken, wenn die Komödianten morgens zur Probe eintrafen. Er war also fort. Und es gab Augenblicke, da fragte sie sich ernsthaft, ob sie sich die Umarmung nicht nur eingebildet hatte.
Einige Tage später – es war Markttag, und sie spazierte zwischen den der Jahreszeit entsprechend spärlich bestückten Ständen –, traf sie den Schauspieler, der den Arlecchino gab. Er saß auf dem Podest des Denkmals, ausnahmsweise ohne seine berufsmäßig possenhafte Albernheit, und da sich
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