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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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wog wie sie selbst und einen mindestens so starken Willen hatte, dazu zu bewegen, anzuhalten, loszutraben und eine bestimmte Richtung einzuschlagen, die ihm offenbar missfiel, sobald Cecilia sich für sie entschieden hatte.
»Sie mag mich nicht.«
»Ach was«, sagte Rossi und schnappte sich die Zügel, um die Schimmelstute erneut anzutreiben. »Du machst das gut.« Er gab ihr das Leder zurück. »Du brauchst nur ein bisschen Übung, das ist alles.« Eine halbe Stunde später brummte er: »Sie ist nicht störrisch, es bringt sie nur durcheinander, wenn du nicht weißt, was du willst. Du musst mit fester Hand die Zügel führen.« Noch später: »Also wirklich, Cecilia!«
»Ich weiß genau, was ich will.«
»Dann mach’s ihr klar! Sie ist ein verdammtes Pferd. Sie will wissen, ob sie dir gehorchen muss.«
Das verdammte Pferd hieß Emilia. »Lammfromm«, versicherte Rossi. »Sie schlägt nicht aus, und sie beißt nicht – sonst hätte ich sie nicht gekauft.« Aber sie hatte eine Neigung, an allem zu schnuppern, als wäre sie blind und taub und müsste die Welt mithilfe der Nase erkunden. Das hielt auf. Dafür liebte sie Abkürzungen.
»Sie bricht sich und dir den Hals, wenn du ihr das nicht abgewöhnst«, sagte Rossi und umschloss Cecilias Hände mit seinen eigenen, um ihr das beizubringen, was er die nötige Festigkeit nannte. Er quetschte ihre Finger, und sie fühlte sich wie eine Marionette in den Händen eines verzweifelten Puppenspielers.
Plötzlich sah sie das Irrenasyl vor sich auftauchen.
»Es ist Donnerstag«, fiel ihr ein.
»Ich weiß. Deshalb haben wir diesen Weg genommen.«
Die Probe hatte bereits begonnen, aber Roberta hatte den Platz neben sich frei gehalten. Sie klopfte mit der Hand aufs Polster. »Könnten Sie mir Farben besorgen, liebste Signorina Barghini?«, wisperte sie anstelle einer Begrüßung.
»Was für Farben?«
»Ich hatte eine Vision. Ich male mein eigenes Abendmahl. Warum soll ich das von Tintoretto kopieren?, frage ich Sie. Er war ein Stümper.«
Arthur lächelte Cecilia von seinem Virginal aus zu.
»Und zwar, weil er sich der Gewalt beugte. Ein wahrer Künstler ist unfähig, sein Werk zu schänden. Prostitution und Kunst sind Gegensätze, stimmen Sie mir zu? Ich bete des Färberleins Spiel von Licht und Schatten an, aber wie er sich demütigen ließ …«
Cecilia sah, dass es Rossi an diesem Abend neben Abate Brandi verschlagen hatte. Wo steckte Vincenzo? Sie entdeckte den jungen Mann, von den anderen abgesondert, wieder hinter einem Farn. Er blickte zu den nachtschwarzen Fenstern, die in den Innenhof führten, und sein Gesicht war ausdruckslos. Kein Vergleich mehr mit der tobenden Bestie, die über Arthur hergefallen war. Allerdings sang er auch nicht mit.
»Und?« Roberta zupfte ungeduldig an Cecilias Ärmel. »Was ist mit den Farben?«
»Wenn ich kann, werde ich sie besorgen.«
An diesem Abend ließ Arthur einige ausgewählte Patienten – zu denen allerdings weder Roberta noch Vincenzo gehörten – an einer gemütlichen Plauderstunde nach dem Chor teilhaben. Lächelnd sah Cecilia dem Arzt zu, wie er glücklich, wenn auch nervös, seine Irren beobachtete. Dabei lauschte sie einer Dame, die seit dreißig Jahren an Kopfschmerzen litt, im Grunde, seit sie ein Kind war. »Nichts als Kopfweh.« Ihre Einweisung ins Asyl beruhte auf einem Missverständnis, und sie rechnete stündlich mit der Ankunft ihrer Tochter.
»Ich verstehe«, sagte Cecilia und schielte zu den andern Gästen, während die Dame ihr einen Einblick in die Variationen des Kopfschmerzes gab, die sie in unterschiedlichen Lebensabschnitten geplagt hatten.
Eine der Dienstbotinnen offerierte ihr und der Verrückten mit Fisch belegte Kanapees an.
»Die Ventile, Enzo!«, dröhnte Abate Brandis Bass durch den Raum. »Woher weiß die Kanaille – Verzeihung, Signora Fabbri, aber es ist wirklich ein schreckliches Pack – etwas von Ventilen? Woher haben sie die technischen Informationen?« Er nahm dem Mädchen eine Tasse Tee ab, die er sogleich auf einem Tischchen absetzte und vergaß. »Das kostet den Granduca dreihundert Skudi – es sei denn, wir können die Pumpen reparieren. Es sei denn, Bombicci kann sie reparieren – er ist der einzige Fachmann, den wir hinzuziehen können. Und vorausgesetzt, die Reparatur gelingt …« Seine Aufmerksamkeit galt wieder Rossi, dem er als Einzigem den nötigen Sachverstand zuzutrauen schien. »Weißt du, was auch das kosten wird? Welche Honorare der Mann nimmt? Ich müsste ihn extra aus Pisa

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