Glaesener Helga
holen lassen, und ich sage dir, er rechnet pro Meile ab.«
»Am schlimmsten ist das Kopfweh, das gegen die Augen drückt«, sagte die Verrückte.
Signora Fabbri gähnte hinter ihrem Fächer. Abate Brandi, der ihre Langeweile bemerkte, ließ pflichtschuldig von seinen Sorgen ab.
»Dampf ist auch in den Gefilden der heimischen Küche eine nützliche Kraft, wenn ich das erwähnen darf, Signora. Denis Papin – ist schon lange tot, ein guter Mann – hat einen Kochtopf erfunden, der mit Dampfdruck arbeitet. Er ist ihm explodiert, als er ihn der Royal Society in London vorstellte. Ein Jammer. Er wurde ausgelacht, und das hatte er nicht verdient. Schließlich hat er ein Sicherheitsventil erfunden …«
»Abate, ich bin überzeugt …«
»Und inzwischen ist der Dampfkochtopf von einer umsichtigen Hausfrau auch in der Küche zu gebrauchen. Sie haben Ihren Braten doppelt … was rede ich … dreimal so schnell auf dem Tisch, wenn Sie mir folgen können, Signora Fabbri.«
»Aber mein lieber Abate, warum sollte ich das denn wünschen?«, fragte die Signora vernünftig.
Die Verrückte mit den Kopfschmerzen wedelte mit ihrem Fächer. »Meine Tochter wird das interessieren. Sie liebt Töpfe. Habe ich erwähnt, dass sie morgen vorbeikommt?«
»Das Pack hat meine Ventile durch Säure unbrauchbar gemacht, Enzo. Und jetzt rede ich mit dir in deiner Funktion als Giudice. Ich glaube …«
»Das Pack ist um seine Lebensgrundlage gebracht worden«, sagte Rossi. »Und ich rede mit dir als Kerl, der weiß, wie Hunger sich anfühlt.«
»Natürlich, natürlich.« Brandi breitete die Arme aus, hob die teigigen Hände und seufzte. »Ist ja nicht so, als hätte ich kein Herz, der Herr kann’s bezeugen. Aber der Fortschritt ist nicht aufzuhalten. Dieser Alte, Adolfo … Du kennst ihn doch. Es heißt, sie hören auf ihn. Könntest du ihm nicht …«
»Du überschätzt meine Möglichkeiten.«
»Aber …«
Arthur schlenderte heran. Er nickte seiner Irren zu, verbeugte sich vor Cecilia und führte sie zu einem Bild, das neu über der Anrichte aufgehängt worden war. Eine Stadtansicht von Florenz, und zwar aus der Höhe betrachtet, vielleicht aus dem Fenster eines der mittelalterlichen Wohntürme. Die Dächer des Doms lagen in einem rötlichen Nebel, über ihnen ging eine riesenhafte Sonne auf. Eine kleine, weiße Katze spielte im Vordergrund des Bildes auf einem Fenstersims. Die Barthaare waren mit unglaublich feinen Strichen gepinselt.
»Das ist schön. Wunderschön.«
»O ja. Roberta Martello! Sie ist tatsächlich eine großartige Künstlerin, nach meinem bescheidenen Urteil. Ich glaube, wenn sie nicht mit ihrer Krankheit geschlagen wäre, würde sie sich einiger Popularität erfreuen. Cecilia … Sie hat eine Bitte geäußert.«
»Wenn Sie die Farben meinen …?«
Arthur schüttelte den Kopf und wirkte plötzlich verlegen. »Es geht um eines ihrer Bilder. Sie dürfen mir nicht zürnen, aber so wie es aussieht, hat Roberta eine Neigung zu Ihnen entwickelt, und sie bat mich, Ihnen ein Gemälde zu übergeben, das sie kürzlich vollendet hat. Wenn Ihnen dieses Ansinnen allerdings unangenehm sein sollte …«
»Lieber Arthur, ganz und gar nicht. Im Gegenteil, ich fühle mich geehrt.«
Der Irrenarzt beugte sich vor und küsste erleichtert ihre Hand.
Roberta bewahrte das Gemälde in ihrem Zimmer auf, und so gingen Cecilia und Arthur wenig später durch die spärlich beleuchteten Flure in den oberen Teil des Asyls.
»Woran leidet die Arme eigentlich?«, fragte Cecilia. »Nun, als Künstlerseele ist Roberta sowieso anfällig für nervliche Krankheiten. Und ihr Geschlecht vergrößert das Problem, denn die weibliche Natur ist schwärmerischer als der nüchterne männliche Geist. Ich würde sagen, das Unglück beruht auf einem Zuviel an Gefühlen. Ist Roberta glücklich, dann erstürmt sie den Himmel und vollbringt Unvergleichliches. Das Bild im Salon beispielsweise ist an einem einzigen Tag entstanden. Sie war selig, und am Abend hat sie der Hälfte der anwesenden Damen einen Heiratsantrag gemacht.«
»Den Damen?«
»Vergessen Sie nicht, Sie sind in einem Asyl, Cecilia«, bat Arthur ein wenig verlegen. »In ihren unglücklichen Zeiten muss man Roberta allerdings Stricke aus den Händen winden und sie in vergitterten Zimmern halten. Was nicht immer einfach ist, denn ihre Stimmung wechselt täglich, manchmal stündlich. Ein entsetzliches Schicksal. Es wird ihr vermutlich unmöglich sein, irgendwann einmal außerhalb dieser beschützenden Mauern zu
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