Glaesener Helga
leben.«
Cecilia merkte, wie leid ihm seine exotische Patientin tat. Es war klar, dass er sie mochte.
Der Arzt räusperte sich. »Sie fühlen sich bedrückt, wenn Sie sich in diesen Mauern aufhalten, nicht wahr, meine Liebe?«
»Arthur …«
Sie hörte ihn leise lachen, konnte aber zu wenig sehen, um aus seinem Gesicht zu lesen, ob er enttäuscht war. »Es ist nicht nötig, dass Sie mich in den Bereich mit den Krankenzimmern begleiten. Wirklich nicht. Wenn Sie das hier nehmen wollen …« Sie waren vor einer doppelflügligen weißen Tür angekommen. Er reichte ihr seine Lampe und rückte einen Stuhl zurecht, der an der Seite des Flures zwischen zwei Fenstern stand.
Cecilia fehlte die Kraft, um zu protestieren. Natürlich fürchtete sie sich. Sie war unter einem Dach mit einem Haufen Verrückter, und mochten sie noch so liebenswert sein und noch so schöne Bilder malen.
»Keine Sorge. Der offizielle Bereich und der Bereich, in dem die Kranken wohnen, sind streng getrennt, und der Letztere ist gut gesichert. Ich kann Sie doch allein lassen?«
»Selbstverständlich.«
Im nächsten Moment war er verschwunden.
Cecilia mochte sich nicht setzen. Sie stellte sich vor eines der Fenster und wartete. Das Mondlicht hatte die Landschaft verwandelt. Die Hügel hatten einen Sammetbezug aus Licht bekommen, die Spitzen der Zypressen leuchteten. Ein friedliches Bild. Das nur getrübt wurde durch die trennenden Gitterstäbe. Cecilia lauschte in Richtung Tür und fragte sich, wie lange Arthur wohl brauchen würde. Dieses ehemalige Kloster war ein Labyrinth aus Gängen, Zimmern und Treppen. An Arthurs Schlüsselbund hingen Dutzende von Schlüsseln. Sie stellte sich vor, wie er damit Tür um Tür öffnete. Und auch wieder verschloss? Das vergaß er doch hoffentlich nicht?
Sie schämte sich ein wenig ihrer Furcht, von der sie wusste, dass sie schäbig war. Die arme Frau mit dem Kopfweh … Die bedauernswerte Roberta … Vielleicht musste man mehr erlebt haben als sie selbst, um einen so barmherzigen, angstfreien Blick auf das Asyl zu bekommen wie Rossi.
Es roch nach einem Reinigungsmittel, und sie fragte sich geistesabwesend, wer wohl die Böden schrubben mochte. Sicher nicht die Patienten. Sie hatten schon Glück, diese Irren in Arthurs Asyl.
Unruhig ging sie einige Schritte durch den Flur. Der Schein der Lampe wanderte über den schwarz-weiß gekachelten Boden. An der Wand stand ein Bücherschrank, einsam, als hätte man ihn dort vergessen. Lauter gewichtig aussehende Lederschinken füllten die Regalbretter. Ihr fiel ein, dass Arthur die Tür, die in den Flügel der Patientenzimmer führte, nicht wieder verschlossen hatte. Oder doch? Hatte sie irgendwelche Schlüsselgeräusche gehört?
Sie vergaß die Bücher und kehrte zur Tür zurück. Nervös hob sie die Hand und fasste nach der Klinke.
Und erstarrte.
»Wau …«
Ein Schauer kroch an ihrer Wirbelsäule den Rücken hinauf.
»Wauauau … wauuu … wauauauu …«
Cecilia war unfähig, sich zu rühren. Lots Frau, dachte sie fahrig. So war es ihr ergangen, als sie sich umgedreht hatte zum brennenden Gomorrha. O Gott!
Hier brannte nichts. Es war auch wieder still geworden. Nur der eigene Atem rauschte in ihren Ohren. Ruhe jetzt, Ruhe. Das Geräusch war aus ihrem Rücken gekommen, vom anderen Ende des Flures, so viel stand fest. Und auch, dass der Schein der Lampe nicht bis dorthin reichen würde, selbst wenn sie die Kraft fände, sich umzudrehen. Der Geruch des Parfüms, mit dem das Lampenöl aromatisiert war, stieg ihr in die Nase. Zitronenöl – warum fiel ihr das gerade jetzt auf? Cecilia bewegte sich. Sie sah das milchige Licht des Mondes, das die letzten beiden Fenster erhellte und die Gitter auf dem Fußboden abzeichnete, wo sie die Karrees in Unordnung brachten. In Wirklichkeit hatte sie gar nichts gehört. Das weibliche Nervenkostüm, ich verstehe, Arthur …
»Wauuuu …«
Ihre Finger verkrampften sich um den Lampengriff. Der Laut jagte durch ihren Körper bis in die Finger- und Zehenspitzen. Wölfe!
»Wau!«
Keine Wölfe, denn Wölfe jagen nicht in Häusern. Umdrehen, Cecilia, du musst dich umdrehen. Das hier ist nichts als ein schrecklicher Scherz.
Sie hörte verhaltenes Gelächter. Und dann … »Wauauauauauauu …« Laut wie ein Jagdschrei.
Entsetzt fuhr sie herum und wich zurück, bis sich die Türklinke in ihren Rücken bohrte. Sie stierte in die Finsternis, die nichts von ihren Geheimnissen freigab. Bewegte sich dort ein Schatten? Da – ein Kichern, das sich eindeutig auf
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