Glaesener Helga
diesem Mensch war es ein Vergnügen gewesen, ihr Angst einzujagen. Nach ihrer festen Überzeugung hatte es sich dabei um Vincenzo gehandelt. Wollte er ihr etwas sagen? Sie teilhaben lassen an dem Mord, den er begangen hatte, in dem Wissen, dass niemand ihr glauben würde? Hatte er sich diese perfide Art der Quälerei ausgedacht, um seine irre Freude an dem Verbrechen zu steigern? Oder wusste er nicht mehr als jeder andere auch und hatte sich nur einen üblen Spaß erlaubt? Immerhin: Er musste den Krankentrakt des Asyls verlassen haben, denn er hatte ja jenseits der magischen Tür gestanden, hinter der die Irren eingeschlossen waren. Wenn er das Asyl nach Belieben durchstreifen konnte – warum sollte man nicht annehmen, dass sein findiger Geist auch einen Weg gefunden hatte, es zu verlassen?
Andererseits hatte Arthur so überzeugt geklungen. Kurz erwog Cecilia die Möglichkeit, dass einer der Wärter einen seltsamen Sinn für Humor haben könnte. Das fand sie aber noch weniger glaubhaft. Um sich abzulenken, begann sie, ihren Umzug vorzubereiten – und sie wunderte sich, wie wenig Aufwand das erforderte. Aber sie wechselte natürlich von einer Wohnung, in der ihr nichts gehörte, in eine andere, die ebenfalls mit fremder Leute Möbel vollgestellt war. Der einzige sperrige Gegenstand, den sie mitnehmen wollte, war das Bett aus ihrer Kammer.
Als sie beim letzten Mal ihr künftiges Zuhause inspiziert hatte und ihr Blick auf das wuchtige Himmelbett mit den Samtüberwürfen, Samtvorhängen, Samtumrandungen und den Samttroddeln gefallen war, hatte sie begriffen, dass es ihr unmöglich sein würde, in diesem Ungetüm zu nächtigen. Vielleicht war es die Erinnerung an Signora Feretti, die das Bild einer urindurchtränkten Matratze heraufbeschwor. Hatten alte Damen nicht ausnahmslos Schwierigkeiten mit der Blase? Großmutter Bianca hatte aus genau diesem Grund im Winter zuvor ein Konzert abgesagt. Wahrscheinlich war Signora Secci in ihrem Bett sogar gestorben.
»Du kannst doch das Bett aus meiner Kammer entbehren, Rossi?«
»Ich kann alles entbehren«, antwortete er, »bis auf mein eigenes Bett.«
»Packen Sie es bitte auf den Karren, falls es noch passt«, bat Cecilia Adolfo, der dabei war, ihre Koffer zu verstauen.
Plötzlich kam ihr ein Gedanke. »O Himmel, Rossi …« Sie nahm ihn am Arm und zog ihn in die angrenzende Bibliothek. »Wie leichtsinnig von uns. Hast du es nicht bedacht? Wenn Signora Secci erfährt, wer die Miete für die Wohnung zahlt … Weiß sie es vielleicht sogar schon?«
»Auch diesen kleinen Tisch, an dem die Platten runterhängen?«, brüllte Adolfo durchs Haus.
»Auch den Tisch, Rossi?«
»Woran immer dein Herz hängt.«
»Es hängt wirklich daran. Der Tisch inspiriert mich beim Schreiben. Also … Wenn Signora Secci weiß, dass du die Wohnung gemietet hast – es wäre eine Katastrophe. Dann blüht der Klatsch erst richtig. Feretti zahlt für Marzia, Giudice Rossi …«
»Sie wird es nicht erfahren. Secci spricht mit seiner Frau nicht über Geschäfte. Zum einen, weil er gar nicht zu Wort kommt, und zum anderen …«
»Bist du sicher?«
»Ich pflanz es dir in Blumenbuchstaben in den Vorgarten. Wenn es um Geschäftliches geht, wird Secci zur Auster. Besonders Signora Secci gegenüber. Ich glaube, es macht ihm Spaß, sie im Ungewissen zu lassen.«
»Hoffen wir das Beste«, seufzte Cecilia.
»Außerdem könnte man annehmen, dass ich deine Finanzen verwalte und die Summen zwar über mein Konto fließen, aber aus deinem Vermögen stammen.«
»Niemand würde glauben, dass du irgendjemandes Vermögen verwaltest.«
Dina kam herein, in den Händen eines der Haarbilder, die sie mit Cecilia gebastelt hatte. »Zum Aufhängen, Cecilia. In Ihrer neuen Wohnung. Damit Sie mich nicht vergessen.« Und schon war sie wieder fort. Natürlich zu den Schauspielern, bei denen sie inzwischen jede freie Minute verbrachte.
Dafür erschien Bruno im Flur. »Wann wird das Gelump endlich wieder verschwinden?«, brummelte er schlecht gelaunt. »Ist ’ne ganz schöne Arbeit, für jede Gerichtsversammlung die Stühle neu zu rücken. Außerdem kann man solchen Leuten nicht vertrauen. Herumziehende.«
Ich werde sie vermissen, alle, sogar diesen Kerl, dachte Cecilia. Skid! Was sollte das? Sie zog ein paar Straßen weiter und führte sich schlimmer auf als Dina. Aber aus irgendeinem Grund kam ihr dieser Umzug noch schmerzlicher vor als der Hinauswurf bei Großmutter Bianca.
Adolfos Stimme: »Unter dem Fenster liegt eine runde
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