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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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wird ihn umbringen !«
Tantchen kam gerade durch eine Tür, mit dem Blick eines Generals, der das Schlachtfeld inspiziert. Sie würde ihn wirklich umbringen. Das Gesicht unter der Turmbau-zu-Babel-Frisur nahm eine ungesunde Rötung an, als sie die Halterung der Gardine auf ihre Standfestigkeit inspizierte. »Nicht jetzt, Gustavo. Lass ihn oben.«
Der Lakai zog sich mit undurchdringlicher Miene zu den Champagnergläsern zurück und nahm ein Tablett zur Hand, wie um zu beweisen, dass er nicht vorhatte, sich an dem Affen zu vergreifen.
»Meine lieben, hochgeschätzten Freunde …« Signora Secci holte Luft und zauberte das Strahlen auf ihr Gesicht zurück, »es ist mir eine Ehre und Freude, Ihnen zu verraten, dass ich für diesen Abend einen ganz besonderen Gast eingeladen habe …«
Sie wird Claudio und den Affen töten, dachte Cecilia. Hier ruhen in Frieden … Und dann begriff sie. Es war doch so nahe liegend gewesen. Sie verdammte sich für die Ignoranz, mit der sie die Einladung angenommen hatte. Hektisch glitt ihr Blick zur Tür und zurück zu ihrer Gastgeberin.
Signora Secci trat zur Seite, und neben ihr erschien der besondere Gast.
»… Principale Inghiramo Inghirami.«
Die Leute klatschten. Inghiramo lächelte und verbeugte sich. Er trug schwarze Hosen, einen schwarzen Justaucorps, in dessen Halsausschnitt ein graues, spinnwebenfeines Jabot steckte, darunter ein blütenweißes Hemd. Er sah gut aus, der Dreckskerl. Tragisch, geheimnisvoll – als hätte das Schicksal ihn gebeutelt und als hätte er ihm tapfer widerstanden. Er sah aus wie immer.
»Wir dürfen einigermaßen geschmeichelt sein, denn der Principale hat für unsere kleine Stadt den Hof von Neapel im Stich gelassen …«
Den Hof von Neapel, ja?
»… um uns mit seiner Inszenierung des König Hirsch zu belustigen, und natürlich sind wir überglücklich …«
Nicht den Hof von Neapel. Zum Hof von Neapel war er geflohen . Im Stich gelassen hat er mich . Cecilia ertappte sich, wie sie an dem Samtband zerrte, das sie um ihren Hals gebunden hatte. Ich brenne vor Sehnsucht nach dir … Nur auf ein Minütchen … . Und wenn Großmutter erwacht? … Sollen Großmütter dein Leben bestimmen , meine Blume? …
Mir wird schlecht, dachte sie. Ihr Herz raste, und die Übelkeit wurde stärker. Sie biss auf ihren Fingerknöchel.
Ein Schatten verdunkelte den Schein des Wandleuchters. »Alles in Ordnung?«, hörte sie Rossis Stimme.
Sie nickte.
»… und ließ sich von mir zur leichten Muse überreden. Sicher haben Sie bereits die Plakate entdeckt. König Hirsch … « Signora Seccis Stimme dröhnte, als spräche sie zwischen den Bergen mit einem tausendfachem Echo.
»Bist du sicher?«
»Was?«
»Bist du sicher, dass es dir gut geht?« Rossi ging neben ihrem Sessel in die Hocke. »Das ist der Mistkerl, ja?«, flüsterte er.
»Ich dachte, er sei fort.«
»… war es mir möglich«, fuhr Signora Secci strahlend fort, »das alte Teatro am Marktplatz …«
»Besorg mir ein Glas Wein.«
»Du willst ein Glas Wein?«, versicherte Rossi sich. »Nein, bleib hier.«
Plötzlich redeten alle durcheinander. Nochmaliges Klatschen. Inghiramo verbeugte sich in alle Richtungen, eine Geste, die so viele Erinnerungen wachrief, dass es Cecilia die Tränen in die Augen trieb.
Giorgia war verschwunden, Rossi nahm ihren Platz an Cecilias Seite ein. »Du brauchst nicht hier zu bleiben.«
»Was?«
»Wir gehen jetzt.«
»Nein.«
Die mutigeren der Damen verließen ihre Plätze und wagten sich an den Gast heran. Sie neckten ihn, wegen der hübschen Damen am Hof von Neapel. Er hörte zu, lächelte gemessen, gab Antworten. Aber seine Aufmerksamkeit schlug einen Bogen direkt zu Cecilias Sofa.
Noch eine Erinnerung, die wehtat – diese speziellen Blicke. Bleib mir vom Leib, du Mistkerl.
Cecilia nahm das Glas, das Rossi ihr entgegenhielt. Es war sein eigenes. Das letzte Mal, als sie ein Glas mit einem Mann geteilt hatte, hatte es Inghiramo gehört. In einer Gartenlaube, an einem Wintertag, der so kalt gewesen war, dass ihr vom Zähneklappern der Kiefer wehgetan hatte. Und genau genommen war es auch kein Glas gewesen, sondern eine grüne Flasche mit billigem Wein. Wäre alles anders gekommen, wenn sie nicht vom Wein getrunken hätte? Wenn Großmutter nicht in der alten Hochzeitskiste die Picknickdecken aufbewahrt hätte? Wenn das Mondlicht hell genug gewesen wäre, um auf den getrockneten Rosen unter der Decke die Staubschicht sichtbar zu machen?
Ich hab’s nicht gewollt, dachte Cecilia. Aber ich

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