Glaesener Helga
Meister.
»Sie ertrinken im Geld«, flüsterte Cecilia.
»Ich dachte, darüber spricht man nicht.«
»Ich sag’s ja nur.«
Signore Camporesi war ein glatzköpfiger, rotwangiger Mann in den Fünfzigern. Er trug Stiefel und Reitjacke und schien sich für einen Ausritt bereitgemacht zu haben. Die Gerte wippte gegen sein Bein, als er ihnen mit gerunzelter Stirn entgegenkam. Wie die meisten nervösen Menschen war er unfähig, sich zu verstellen. Der Besuch war ihm lästig, und als er hörte, dass es ein Giudice war, ein Staatsdiener, der ihn aufhielt, blickte er unverhohlen zur Tür. Am Ende war es wohl Cecilias Gegenwart, die ihn davon abhielt, den Büttel einfach stehen zu lassen. Er konnte sie schlicht nicht einschätzen.
»Zunächst möchten wir Ihnen die Grüße von Dottore Billings überbringen, wenn Sie erlauben.« Cecilia schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
»Billings hat Sie geschickt?« Die Nervosität machte einer angespannten Wachsamkeit Platz. Er zögerte kurz, dann bat er sie eine Tür weiter in den Salon.
»Wir haben ihn gestern Abend getroffen, und er ist zufrieden mit der Entwicklung seines Patienten, das darf man wohl …«
»Dottore Billings? Habe ich recht gehört? Geht es um Vincenzo?«, schallte es aus einem der oberen Zimmer. Eine kleine Frau mit unordentlich frisierten Haaren eilte eine Treppe hinab. Sie trug ein weißes Hauskleid und die winzigsten Pantoffel, die Cecilia jemals an einem erwachsenen Menschen gesehen hatte. In ihrem Bugwasser folgte eine pummelige Zofe, die vor Aufregung vergessen hatte, die Bürste aus der Hand zu legen, mit der sie ihre Herrin gerade frisiert hatte.
»Ist es richtig? Dottore Billings? O bitte, setzen Sie sich. Nehmen Sie unbedingt Platz. Signora … Signorina? Signorina Barghini … Giudice Rossi … Bring Wein, Eliza. Es ist ihm nichts geschehen, nicht wahr?«
In der letzten Frage steckte so viel aufrichtige Angst, dass Cecilia errötete. »O nein, Monna Camporesi. Vincenzo befindet sich wohl. Es geht ihm sogar ausgezeichnet. Erst diese Woche hat er einer Malerin Porträt gesessen. Es ist ein ausgezeichnetes Bild entstanden.«
»Er hat für ein Porträt gesessen? Das ist erstaunlich. Ich weiß nicht, ob Ihnen klar ist, wie bemerkenswert diese Nachricht für meinen Gatten und mich klingen muss. Vincenzo war zeitlebens ungeduldig, bereits als Säugling. Tatsächlich gibt es nur ein einziges Bild von ihm, und das hat der Künstler aus dem Gedächtnis gemalt. Wirklich? Er hat Modell gesessen?«
»Einen ganzen Vormittag.«
»Isst er genug?«
»Das will ich doch hoffen.«
»Er war immer ein schlechter Esser.« Signora Camporesis Augen wurden feucht, was sie offenbar vor ihrem Gatten zu verbergen trachtete, denn sie kehrte ihm die Seite zu. Hastig griff sie nach einem der Gläser, die ein Lakai inzwischen auf einem der Tischchen abgestellt hatte. »Und ist er immer noch so niedergeschlagen? Es ist uns leider nicht möglich, ihn so oft zu besuchen, wie wir es gern wünschten …«
Du wünschst es, dein Mann keineswegs, dachte Cecilia mit einem Blick auf den Hausherrn, der mit angespannten Gesichtszügen neben dem Fenster stand. Die Gerte wippte.
»Ich habe noch weitere Kinder, und deshalb ist meine Anwesenheit in diesem Hause vonnöten, auch wenn wir natürlich gut erzogenes Personal haben. Aber eine meiner Töchter ist kränklich …«
» Giudice Rossi?«, unterbrach Camporesi seine Frau mit der Betonung auf dem ersten Wort.
»Ganz recht. Ich bin gekommen, um etwas über die Vorgänge zu erfahren, die Ihren Sohn ins Asyl brachten.«
Die Signora erbleichte. Camporesis Gerte stand still. »Darf ich den Grund wissen?«
Rossi gab keine Antwort.
»Um einen Menschen, einen kranken Menschen, zu verstehen, ist es doch immer von Vorteil zu erfahren, wie er in seinen unglückseligen Zustand geraten ist«, erklärte Cecilia eilig in die schwüle Stille hinein.
»Vincenzo ist ein guter Junge!«
»Sei still, Maria.« Camporesi blickte zur Tischglocke. Er zögerte. Man konnte sehen, wie es in ihm arbeitete. »Mein Sohn war bei der Armee«, erklärte er schließlich widerstrebend. »Er wurde in eine Schlacht verwickelt und fand leider nicht zu der Tapferkeit, die wir von ihm erwartet hätten. Das Ergebnis war die geistige Zerrüttung, die ihn erkranken ließ.«
»Sein Onkel wurde nach der Schlacht von Homberg ausgezeichnet«, sagte Signora Camporesi.
»Maria … Willst du nicht wieder hinaufgehen? Ich sehe nicht, wie du den Herrschaften weiter behilflich sein könntest.« Der
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