Glaesener Helga
äußerst nahrhaft!«, erklärte sie.
Eine Dame war Fiamma ganz sicher nicht. Ihr weißer, mit schwarzen Monden beklebter Busen quoll fast aus dem Mieder, Lippen und Wangen prangten in einem Rouge, als hätte ein Kind an der Marmelade genascht. Sie stolzierte auf hohen, strassbesetzten Absätzen, und ob sie es wollte oder nicht, alle Augenblicke wanderten ihre selbstverliebten Blicke zu den Spiegeln, die anstelle von Bildern ihre Wände schmückten.
Dabei war sie schrecklich nett. Als sie hörte, dass Cecilia eine neue Wohnung bezogen hatte, schenkte sie ihr umgehend eine Bonbonniere mit gelber Staffage »… weil Gelb die Farbe ist, die Ihnen steht mit Ihren hübschen Blondlocken. Da könnte man neidisch werden, wirklich. Und so eine zarte Haut. Sie brauchen keine Schminke, Signorina, das meine ich ehrlich. Gott hat Ihr Gesicht in einer glücklichen Stunde geschaffen.«
»Hat Enzo hier gewohnt?«, fragte Cecilia, wohl wissend, wie ungehörig die Frage war. Aber sie war wie beschwipst von den exotischen Gerüchen und der Wärme und dem Redefluss ihrer Gastgeberin, und sie hätte wirklich gern etwas aus dem Leben des Giudice erfahren.
»Nicht, dass Sie was Falsches denken«, meinte Fiamma, während sie ihren üppigen Busen wieder über Mörser und Schale beugte und Schokolade zerrieb. »Das hat sich eben vielleicht angehört, als wäre ich mit ihm Herz an Herz, aber so ist das nicht.« Sie zuckte errötend die Schultern. »Er ist da draußen mal rumgewandert, mitten in der Nacht, und Winter war es auch. Er hatte zu viel getrunken, wenn man das so sagen darf. Und konnte wohl nicht heim, weil da die Flagge auf Sturm stand. Also habe ich ihn auf meinem Teppich schlafen lassen. Sah ja auch anständig aus, in seinen Kleidern, meine ich. Streng. Nicht wie ein Hallodri, und die gibt’s hier oft genug, wenn Sie mich verstehen. Am Morgen hab ich ihm eine Schokolade gekocht, und er hat sich artig bedankt und mir ein Kilo Schokoladenpulver abgekauft. Und dann ist er eben öfter vorbeigekommen. Nur zum Schokoladetrinken. Hat nicht auf mich runtergesehen, und das ist selten, wenn einer Geld hat. Manchmal ist er ein Weilchen geblieben – Sie verstehen, Flagge auf Sturm. Auch mal ein paar Tage. Aber es war nur freundschaftlich. Wenn er betrunken war, hat er hier geschlafen. Und wenn er nicht ganz so betrunken war, hat er Heiligenbilder auf meine Tassen gemalt. Wollen Sie mal sehen?«
Cecilia bewunderte das Bild, das Fiamma ihr zeigte. Die schöne Salome mit dem Teller, auf dem das Haupt des ermordeten Johannes lag, in zierlichsten Pinselstrichen, in geübten Proportionen.
»Er malt nur den Johannes mit der Salome. Er sagt, er kann nichts anderes. Fünfzehn Minuten braucht er für ein Bild – genauso lange wie ich, wenn ich Schokolade in der Chocolatiere schaumig rühre. Ich hab sie eine Weile verkauft. Hat aber nicht viel eingebracht, weil Johannes ja der Schutzpatron der Florentiner … Ist was, Signorina?«
Cecilia hatte durch das bogenförmige Fenster auf die Straße geschaut.
»Was gibt’s denn?«, wollte Fiamma wissen und lugte mit in die Hüfte gestemmten Händen durch die Scheibe.
»Sehen Sie das Pferd dort drüben?«, fragte Cecilia gepresst. »Den Fuchs mit der hellen Mähne?«
»Aber sicher. Der gehört Frugoni, das ist der Inhaber von dem Perückenladen drüben. Das Vieh ist bissig. Ich sage ihm immer, er soll es hinten im Hof anbinden, aber Frugoni gibt einen Furz drauf, und das nenne ich schlechte Geschäftspolitik. Allerdings hat er es auch nicht nötig, denn Perücken werden kaum noch genommen, und in Wirklichkeit, das ist meine Meinung, lebt er vom Geld seiner Frau. Sehen Sie? Dort drüben – das ist er.«
Fiamma wies auf einen kleinen, dürren Mann, der schnaufend seinen Hut vor einer Familie in einem Lando zog und dann die Straße überquerte. Er brabbelte vor sich hin. Keine furchteinflößende Gestalt. Und er hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem Reiter, den Cecilia auf dem Weg nach Marliana getroffen hatte. Er war viel zu mickrig. Obwohl … Wenn ein Windstoß den Umhang gebläht hatte … Ihr ging auf, dass sie nicht die geringste Ahnung von der Statur und dem Aussehen des Reiters hatte. Und das Pferd … Wahrscheinlich gab es solche Füchse zu Dutzenden. Sie waren ihr bisher nur noch nicht aufgefallen. Das ist alles Rossis Schuld, dachte Cecilia. Er macht mich verrückt mit seinen Kassandrarufen.
Fiamma fand, es sei genug gearbeitet, und sie ließ ihren Gast von sämtlichen Pralinen
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