Glaesener Helga
war immer noch muffelig und Cecilia froh, ihr entkommen zu können, indem sie diese Arbeit allein vollbrachte.
»Ich bin zu dünn«, maulte Dina, die sich vor dem Spiegel drehte.
Cecilia bat die Engel des Himmels um Geduld. »Du bist hübsch, mein Liebes.«
»Wird mein Vater mich begleiten, wenn ich zum Kloster fahre?«
»Möchtest du das denn gern?«
»Ja. Er jagt den Leuten Angst ein«, erklärte Dina mit entwaffnender Ehrlichkeit.
»Wem soll er denn Angst einjagen?«
»Ich weiß nicht.«
»Sie werden dich bestimmt gern haben.«
Dina schniefte.
»Und wir fragen deinen Vater. Ganz einfach. Jetzt gleich. Wir gehen hinauf und fragen ihn, ob er uns begleitet.«
Aber das war leichter gesagt als getan. Rossis Arbeitszimmer war leer, das Speisezimmer und die Bibliothek ebenso. Sie versuchten es in der Küche.
»Aber haben Sie den Lärm nicht gehört?«, fragte Anita überrascht. Sie gab dem Brotteig, den sie knetete, einen liebevollen Stoß und rieb die Hände mit Mehl sauber. »Es ist ein Bote von Giudice Cardini aus Monsummano gekommen. Vor einigen Stunden schon. Sie haben offenbar in dem Glockenturm …« Anita verdrehte die Augen, um anzudeuten, dass das, was sie zu sagen hatte, nicht für Kinderohren bestimmt war.
»Geh hinauf, Dina, und schau …«
»Ich will es aber hören.« Als Cecilia die Brauen hob, zog das Mädchen schmollend ab.
»Heute Morgen«, wisperte Anita. »Der Küster von Santa Maria della Fontenuova ist gegangen, um das Geläut anzustimmen, und wie er auf die Glockentasten schlägt, merkt er, dass es hakt. Und er ist die Treppe hinauf …«
»Anita …«
»Und dort hat er ihn gefunden.«
»Wen?«
»Signore Feretti.«
Rossi war ausführlicher, als er kurz darauf heimkehrte. Er vergaß, die Stiefel auszuziehen, und hinterließ kleine Schmutzhäufchen auf der Treppe, aber er erzählte. Der Küster von Monsummano hatte Feretti eingeklemmt unter der Stiftwalze des Glockenspiels gefunden. Der Leichnam war schrecklich zugerichtet gewesen – wie Mario, dieselben Bisswunden, in derselben Tiefe, von denselben Gebissen verursacht! Der Küster hatte den Pfarrer geholt, und der hatte Giudice Cardini informiert.
»Feretti ist also tot.« Cecilia war wie vor den Kopf gestoßen. Sie ließ sich auf die Chaiselongue sinken. Offenbar hatte es immer noch etwas in ihr gegeben, das wider alle Vernunft glauben wollte, Ferettis Verschwinden habe eine harmlose Ursache.
Rossi, der gerade seinen Plan quer über den Tisch zu sich herangezogen, hatte, ließ davon ab. »Tut mir leid. Ja. Er ist tot.«
Und wurde gefoltert …
Schlag fester … Ihr Herz begann wieder zu zittern, die Finger zu kribbeln … Nein! Atmen …
»Moment, hier liegt irgendwo ein Schnupftuch.« Rossi suchte umständlich, fand aber doch keines, und als sie eines aus ihrem Ridikül geholt und sich die Nase geschnäuzt hatte, hing er bereits wieder über seinem Plan mit den vielen Kreuzen und Bemerkungen.
Cecilia räusperte sich. »Warum schaust du auf die …«
»Wäre es besser, ich erzählte dir nichts von diesen Grausamkeiten?«
»Ich habe doch gefragt.«
Rossi ließ von der Karte ab und richtete sich auf. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und seufzte. »Ich kann mir nicht gut vorstellen, wie es in Frauenköpfen aussieht, Cecilia. Das ist die traurige Wahrheit. Andere wissen Bescheid, ich nicht. Im ersten Moment habe ich gedacht, ich halte den Mund. Aber dann wolltest du Bescheid wissen … Und nun werden dir die Augen feucht …«
»Ich habe doch gefragt«, wiederholte sie.
»Arthur würde sagen, es sei roh, vor dir davon zu sprechen …«
Sie ging zu ihm und beugte sich über die Karte. »Was suchst du hier? Du weißt doch, wo er gefunden wurde.«
Einen Moment schwieg er. Dann zeigte er auf den Schriftzug Monsummano . »Was mich beschäftigt, ist nicht der Ort, sondern die Zeit: Warum jetzt?«
»Das verstehe ich nicht.«
»Feretti ist vor neun Tagen verschwunden. Wir haben auf der Suche nach ihm jeden Stein umgedreht und ihn nicht gefunden – und nun wird er uns vor die Füße gelegt wie die Maus von der Katze. Warum gerade jetzt?«
Ja, warum?
Schlag fester … Schlag …
Plötzlich glaubte Cecilia die Stimme zu hören. Schlag … Sie spürte eine Färbung, etwas Japsendes, Atemloses, eine … eine … vertraute Stimme?
… fester …
Tatsächlich vertraut? Je mehr sie sich mühte, umso unerbittlicher versank die Erinnerung wieder im Sumpf, der diese Stunde verschlungen hatte.
»Was ist los?«, fragte Rossi.
»Ich kann mich einfach nicht
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