GLÄSERN (German Edition)
Rücken. Lady Amaranth nahm langsam und etwas belustigt, wie es schien, ihren letzten Bissen vom Teller. Genüsslich wischte sie das Blut mit dem Fleisch auf. Ich verglich sie, ohne es zu wollen, mit einer Kannibalin, die mich bereits in einem meiner Bücher angeekelt hatte, und die verzückt vor ihrer selbst erlegten Beute saß. Eirwyns Blick zeigte Streitlust und die Luft knisterte bereits von der Anspannung. Ich lehnte mich mit schmerzendem Rücken verschämt zurück. Dass sie sich nicht einmal benehmen konnte.
»Ich sehe natürlich, wie begeistert du darüber bist, aber es überrascht mich nicht im Geringsten. Zudem werde ich keine Rücksicht auf deine Meinung geben, Georgina. Dennoch möchte ich dich zu meiner Hochzeit einladen.«
Elegant betupfte die Lady seelenruhig ihre Mundwinkel mit der Serviette. »Zu gütig«, sagte sie.
»Ich bestehe sogar darauf«, sagte Eirwyn betont freundlich.
Etwas Gefährliches lag in ihrem Tonfall, das mir neu an ihr war. Doch die alten Zeiten auf Amaranth, die mir stets harmonisch und, trotz der gelegentlichen Streitigkeiten zwischen Mutter und Tochter, friedvoll erschienen, waren wohl endgültig in der Vergangenheit untergegangen. Eine neue Ära traf nun ein, um sich niederzulassen und von nun an hier zu herrschen. Ich war mir nicht sicher, ob ich diese Ära mochte. Heute ist mir meine verklärte Dummheit so peinlich, dass ich mir – außer zur morgendlichen Toilette – selbst kaum noch ins Gesicht sehen kann.
»Dann hast du also vor, dich hier in meinem Haus zu vermählen«, stellte sie amüsiert fest.
»In unserem Haus. Und ja, das habe ich.« Eirwyn nickte ernsthaft.
»Dann soll es so sein.« Meine Lady wandte sich belustigt dem Jäger zu. »Willkommen also in meiner Familie. Haben Sie es doch noch aus dem Wald in ein schönes warmes Herrenhaus geschafft. Meinen Glückwunsch. Falls ihr jedoch vorhabt, nach der Vermählung wieder abzureisen und dieses ungastliche Land für immer zu verlassen, seid versichert, dass ich euch hierfür nicht böse gesinnt sein werde. Fühlt euch bis dahin wie zu Hause.«
Sie wandte ihre roten Augen hinter dem Tüll dem Jäger zu und blickte ihm direkt in die stahlblauen Augen, als auf ihrem Gesicht erneut die grausam lächelnde Wölfin zum Vorschein kam. »Nehmen Sie meine Gastfreundschaft besser demütig an, denn sie ist rar. Und sollte ich letztlich aus purer … sagen wir … Laune … Ihren Kopf fordern, laufen Sie ruhig. Ich finde Sie überall.«
Hoch oben auf dem riesigen shakespeareschen Balkon standen drei verstörte Gestalten in tiefster Nacht. Zwei von ihnen rauchten allzu ungesunde Mengen Tabak und eine widmete sich einer beinahe noch vollen Flasche Whiskey, ohne ein Glas zu benutzen. Der Jäger schritt gehetzt auf und ab, wie eine wilde Bestie in ihrem aufgezwungenen Gehege. Wir folgten ihm dabei mit runden Augen. Mehrmals hob er zu einer Schimpftriade an, ließ sie dann jedoch unausgesprochen mit dem Wind davon wehen.
Eirwyn ging auf ihren Geliebten zu. »Verzeih, dass ich entschieden habe, die Hochzeit hier zu feiern. Aber mein Vater ist einfach zu schwach. Er muss noch eine Weile zu Kräften kommen. Ich kann ihm diese Reise einfach nicht zumuten!« Sie hielt seinen Arm mit ihren beiden Händen umklammert.
Kieran fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Und diese Zeit wird sie uns mit Kräften zur Hölle machen. Ist schon gut, mein Herz. Könnte man sich einen schöneren Ort zur Heirat vorstellen, als den geselligen Westen Schottlands?«
Das Paar lächelte sich müde an und er küsste sie zärtlich. Ich räusperte mich, um weitere Annäherungen schon von vornherein im Zaum zu halten. »Darf man erfahren, wann genau du ihr den Antrag gemacht hast?«, fragte ich spitz.
»Darf man, aber ich entscheide mich dazu, dir genug Stoff zum Nachdenken zu geben, dass du die Nacht über beschäftigt bist.«
Was für ein Kretin! Als er meinen vernichtenden Blick sah, trat er nah zu mir heran.
»Meine Güte, Frederick! Wir waren häufig genug allein, klar? Erstaunlicherweise hast du es mit deinen Bespitzelungen doch sehr viel spärlicher gehalten als erwartet.«
Eirwyn versetzte ihm mit gespieltem Tadel einen Stoß. »Sei nicht so gemein«, zischte sie, doch sie lächelte ihn dabei schamlos an.
Prompt kam ich mir wieder wie das gehänselte seltsame Kind vor, als welches ich schon immer galt.
Eirwyn setzte sich zu mir auf die steinerne Brüstung. »Er hat mich im Wald gefragt, als wir einen Moment für uns hatten. Wir haben
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