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GLÄSERN (German Edition)

GLÄSERN (German Edition)

Titel: GLÄSERN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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Ich streifte in endlosen Minuten feine Strümpfe aus weißer Spitze über ihre Beine und schnürte sanft die Halterungen an den Oberschenkeln. Abschließend zog ich ihre geliebten hochhackigen Schuhe aus anthrazitfarbenem und weißem Lack an ihre Füße und band die samtenen Bänder zu Schleifen.
    Zufrieden trat ich zurück, um meine Freundin genau betrachten zu können. Zu guter Letzt gab ich ihr eine ihrer Lieblingsblüten mit ins Haar und in die ewige Dunkelheit, die in wenigen Stunden folgen sollte – dunkelviolette Callas! Auf morbide Art fand ich sie wieder schön, beinah unwirklich sogar.
    Gen Mittag traf endlich der Sarg aus der Stadt ein – es handelte sich um ein bleifarbenes Monstrum mit klobigen Scharnieren, auf dessen Deckel sich die Silhouette einer auf dem Bauch ausgestreckt liegenden Frau wölbte. Entsetzt sah ich zu, wie Giniver von Duncan und Kieran unter meinen argwöhnischen Augen hinein in das kalte Grab aus Eisen gebettet wurde. Ich kämmte ihren Pony nochmals glatt und breitete das halblange Haar offen um ihre schmalen Schultern aus. Mit einem letzten Kuss auf die Stirn verabschiedete ich mich fürs Erste von meiner Gefährtin, folgte dann den anderen, um das Begräbnis vorzubereiten.
    Der einzig vakante Zeitpunkt für ihre Beerdigung bot sich an jenem Nachmittag. Wie befürchtet, gestaltete der ewige Sprühregen, geschwängert mit Eiskristallen, den wir Schotten normalerweise lediglich als erhöhte Luftfeuchte bezeichnen, diese Zeremonie noch trostloser als ohnehin schon. Zusammen mit dem Jäger, Servant Duncan und unserem Stallknecht, dem trinkfesten Hugo Bloodfiest, trug ich den Sarg die kleine Anhöhe hinab, die vom Anwesen und dem Wilden Wald fortführte. Zu lange hatte ich zuvor wie eine Statue vor dem Spiegel gestanden, um mich auf die bestmögliche Art passabel zu kleiden und meine Trauer hinter meinen wie tot erscheinenden Augen zu verbergen. Ich wollte meine Giniver in dem elegantesten Anzug, den ich mir bei Seamither´s leisten konnte, auf ihrem letzten Weg begleiten. Daher konnte ich mich auch mit dem ersten Griff in meine Kleiderschränke für den schwarzen Anzug mit silbernen Nadelstreifen (und passenden Handschuhen) entscheiden, dessen Revers eine Spur schmaler, das silbrige Tuch einen Hauch länger war, als in unserer Zeit modisch. Die Calla in hellem Pink an meinem Kragen war eine Hommage; die schimmernde Weste eines der Stücke, die Giniver an mir am liebsten gemocht hatte. Die Damen Waldeck und Amaranth trugen nachtschwarze Spitze und Schleier. Eirwyns Gesicht war gänzlich verhüllt von dem dichten Netz. Die Lady hingegen scheute wohl mehr Mühe, trug somit lediglich einen ihrer alltäglichen kurzen Tüllschleier. Ihre langen Kleider schlurften hinter dem Sarg vernehmlich über die Erde und ich sorgte mich um die Unterkleider, die man sicherlich würde auffrischen müssen. Graf Hektor war aus verständlichem Grund abwesend. Dagegen trafen die steinalte Köchin und ausnahmslos alle neuen Bediensteten ein, obwohl sie Giniver nicht gekannt hatten. Nachdem wir den Sarg neben einer tiefen Grube abgestellt hatten, öffnete ich ihn vorsichtig, indem ich einen Haken am Fußende löste. Der Deckel glitt wie von Zauberhand mit einem leisen Schnauben nach oben. Ich befestigte Ginivers kleinen Damenschirm, damit der Regen keine Gelegenheit hatte, ihr mit viel Sorgfalt und viel mehr Puder überdecktes Leichengesicht zu enthüllen.
    Eirwyn trat hervor, um eine winzige Spieluhr auf die Polsterung neben ihrem Hals zu legen, die dabei melancholisch klimperte. Ich hätte ihr dankbar zunicken sollen, dennoch hielt mich etwas davon ab und ich starrte stattdessen auf die Spieluhr, ohne ihren traurigen Blick zu erwidern. Ein Priester aus der Stadt hielt die Totenrede, von der ich beinahe so viel mitbekam, als läge ich im Vollrausch unter irgendeiner Theke. Er hielt sich bemerkenswert kurz, da er die Tote wahrlich ebenso wenig gekannt hatte wie jeder der Anwesenden mit Ausnahme von mir und Eirwyn.
    Ich trat langsam vor, warf noch einen allerletzten Blick auf ihr niedliches Antlitz und schloss den Deckel. Es brach mir das Herz und meine Brust zog sich so schmerzhaft zusammen – ich hätte mit ihr den Platz getauscht, hätte ich es vermocht. Mit geschlossenen Augen versuchte ich, ihren Geist zu erfassen, doch er ließ sich nicht blicken, war mit der letzten Windböe und dem Schnee hinfort. Ohne es zu wollen, nahm mich eine egoistische, tief in mir vergrabene Wut auf sie ein. Mit ihr beerdigte

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