GLÄSERN (German Edition)
verschwunden war. Wie Lady Amaranth gelegentlich anmerkte, kann ich zwar ab und zu recht flink und leise sein wie der Wind, doch das überraschte sogar mich.
»Tun Sie das nicht«, beschwor ich Sandy.
»Was tust du, Van Sade!«, keuchte Kieran fassungslos. »Ich lasse mir meine Abrechnung mit diesem Wildschwein hier doch nicht von einem seltsamen, kleinen Mädchen wie dir boykottieren!«
Nun, verwirrter Leser, ich will nun einmal nicht, dass meine Eirwyn vor Kummer vergeht. Und sei es auch, dass eine arrogante Fummeltrine wie Kieran sie vielleicht wirklich glücklich machen kann. Somit ist es leider auch in meinem Interesse, dass Kierans Leben geschont wird. Vor allem brauchten sowohl Eirwyn als auch ich einen Beschützer, denn auf der Rückreise vor allerlei bösen Menschen verschont zu bleiben, erschien mir als doch sehr utopisch. Vor allem aber befürchtete ich schlicht, bei dieser wichtigen Mission zu versagen, um doch noch mit Eirwyn nach Amaranth Manor zurückzukehren. Was ich zweifellos würde, denn ich hatte unter dem kalten Mondlicht eine Entscheidung getroffen. Ich liebte meine Herrin, doch auch ich bin nicht gänzlich auf den Kopf gefallen. Zudem machte sich seit meinem Gespräch mit Eirwyn eine bleischwere Angst in mir breit, sobald ich an meine Lady dachte.
Ich raffte mich auf und trat ruhig auf den Lord zu. Wir sahen uns abwartend an und plötzlich stieg Ärger in mir hoch. Ärger über Kierans überlegene Arroganz, dass er Geheimnisse vor mir hatte und dass er mit Eirwyn schlief, die doch immer so makellos war. Die maßlose Wut über sein Misstrauen und Ginivers Handeln hinter meinem Rücken überschwemmten mich. Dennoch konzentrierte ich mich auf den Lord. Angestrengt nahm ich mir vor, sachlich zu bleiben. Ich atmete einige Male tief durch.
»Eirwyn soll selbst entscheiden, was sie tun will. Und ich muss Ihnen als Valet für diese Angelegenheit zugetan sein. Warum vertrauen Sie mir nicht?«, fragte ich Sandford.
Er sah mich verwirrt an. »Liegt das nicht auf der Hand? Als Amaranths Schoßhündchen …«
Ich unterbrach ihn, obwohl ich wusste, dass er Recht hatte. »Wann erzählen Sie uns endlich, wer Sie sind!« stieß ich hervor.
»Hör zu, Van Sade … es geht nicht.«
»Ich denke aber doch. Reihen Sie einfach ein paar Wörter aneinander. Es sollten aber am besten die Richtigen sein.«
Unbewusst krümmte ich nun meine Hand fest um den Lauf von Sandfords Pistole. Und dann ging alles ganz schnell. Ich sah nur mehr einen Schatten und helles Haar schlug mir ins Gesicht. Mit einem Ruck riss der Jäger die Waffe aus unser beider Hände.
»Van Sade, hör mal! Du verstehst nicht, dass manche Dinge einfach nicht für deine Ohren bestimmt sind. Und was soll das werden?«
Sandford war mehr erstaunt, als dass er um sein Leben zitterte, da sein Widersacher nun beide Pistolen in den Händen hielt und auf ihn richtete. Der Jäger spannte die Hähne.
»Ich bin Eirwyns engster Vertrauter, ich weiß alles, alles was sie tut und was sie plagt, was sie denkt!«, zischte er.
»Das denkst du nur, Jäger«, entgegnete Sandford gefasst. »Sie ist, glaube ich, ebenso gut in der Lage, ohne dich auszukommen.«
Der Jäger betrachtete seine Waffen, auf die Brust des Lords gerichtet.
»Sehr nett von ihr, dir den Anschein zu vermitteln, dass du dich auf ihrem Niveau bewegst«, sagte der Lord kühl und seine Augen blitzten kalt.
So ganz stimmte das nicht, wie ich dachte. Eirwyn war auf mich angewiesen. Ich tat alles für sie, alles und es gab keine Grenzen, an die ich stoßen konnte. Ebenso wie ich alles für meine Lady tat. Dennoch glomm irgendwo ein kleiner Funke Zweifel, den ich fälschlicherweise meiner kaputten Brust zuschrieb. Ich schwankte, doch ich beschloss, mich nicht davon übermannen zu lassen. Auch Kieran ließ sich nichts anmerken, sollte ihn Sandys Aussage getroffen haben.
»Wie du nur immer auf solch lustige Ideen kommst, wo du keine Ahnung hast, von jedweder Beziehung zwischen mir und Eirwyn. Du bist hier ein Fremder, Sandford! Und das, seit unserem netten Treffen im Wald, seitdem auf Teufel komm raus jedermann misstraut wird. Es ist, als kenne ich keinen von euch wirklich!«
Recht hatte er, eine allzu zufällige Koinzidenz, in einem so großen Wald ausgerechnet auf einen Freund zu treffen. Ich schielte zu Giniver, sie schüttelte tadelnd den Kopf. Kieran stand noch immer mit erhobenen Waffen vor dem Lord. Unnachgiebig und kalt. Ich fürchtete, heute Nacht nicht mehr zur Ruhe kommen zu können,
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