GLÄSERN (German Edition)
auf die eine oder andere Art. Entweder Sandy gab nicht nach und wir stünden zur Morgenstunde noch hier und verpassten das Frühstück. Oder es endete alles hier. In Blut und Tränen.
»So ist es ja auch«, meinte Sandford leichthin. »Zumindest, was mich betrifft.«
»Ich will das jetzt wissen!«, herrschte Kieran den Lord an und hob die Pistole ein wenig, dass sie auf seinen Kopf zielte. »Und keine Lügen, Sandford.«
»Gut, gut.« Der Lord hob beschwichtigend die Hände. Und dann erzählte er uns allen die unglaublich spannende und glücklicherweise kurze Geschichte um den Auftrag, den Lady Amaranth ihm aufgezwungen hatte.
Angeblich hatte er, kurz, nachdem er von einer seiner Reisen in einen entlegenen Teil der Welt mittels eines Schreibens von der Einladung auf Amaranth Manor erfahren hatte, sogleich seine Sachen gepackt und sein Schloss im Norden Wales verlassen. Hals über Kopf versteht sich. Nun, darf man seinen überaus heroischen Worten glauben, geschah dies aus reiner Hilfsbereitschaft und ohne – und das wiederholte er gleich mehrmals und mit Nachdruck – Gegenleistung zu erwarten oder gar einzufordern. Ein wahrer, selbstloser Edelmann, und so weiter. Unterwegs dann sei ihm sein Gaul krepiert und er musste eine Kutsche in Anspruch nehmen. Zudem habe ihn das abenteuerliche Wetter überrascht, was natürlich ein echtes Problem darstellt für einen Weltreisenden. Aufgeputscht durch seine Wut, glaubte Kieran dem alten Lügenbaron Sandford natürlich kein Wort, wie man ihm deutlich ansah, und noch währenddessen wir alle auf eine Fortsetzung seiner Mär warteten, ließ Lord Sandy Giniver nicht aus den Augen, die erschreckt die Szene beobachtete. Ich näherte mich ihr rückwärts, ohne die beiden anderen aus den Augen zu lassen, und umfasste fest ihr Handgelenk.
»Ich bin nun zwar keineswegs schlauer …«, warf ich müde ein.
»Aber Sie sind besser informiert«, entgegnete der Lord knapp.
»Ist das jetzt auch wirklich alles?« Kierans Stimme klang inzwischen noch ein wenig hektischer.
Sandford breitete unbeholfen die Arme aus.
»Keine Märchen mehr?«
»Was willst du, Jäger? Sollen wir uns alle noch ein paar peinliche Geschichten aus unserem Leben erzählen und uns anschließend gegenseitig den Bart bürsten? Zumindest, wer über einen anständigen verfügt.« Er klang jedoch keineswegs amüsiert. Im Gegenteil, Wildheit lag in seinem Blick. Und Hass.
»Ja«, warf ich knapp ein, um noch etwas Nachtruhe für mich und Giniver zu sichern, »das ist dann wohl alles, wie es scheint.«
Ich trat langsam auf Kieran zu, nahm ihm die Waffe ab und warf sie in den Bauch des gräsernen Zentauren. Der Lord folgte ihr lauernd mit den Augen. Noch ehe ich Kieran seine Waffe abnehmen konnte – und ich schwöre, es lag nicht in meiner Absicht, sie ebenfalls fortzuwerfen! – sah er mich mit mörderischem Blick an.
»Was soll das nun wieder werden, Fred!«
»Ich rette zwei Leben, sowohl euch als auch mir zuliebe, glaubt mir«, murmelte ich.
Während ich ihm das Schießeisen aus den Fingern wand, stürzte Kieran auf den Lord zu, warf ihn mit seinem ganzen Gewicht zu Boden. Hinter mir kreischte Giniver auf und ich schrie etwas – was, ist mir völlig entfallen. In Rage fuhr der Jäger mit der Hand unter den Bauch des Zentauren und erreichte die Pistole an ihrem langen Lauf. Er presste dem stämmigen Lord die Mündung an den Schädel, dass sich die Haut darum spannte.
»Lassen Sie Ihre Maske fallen, ich warne Sie!«, zischte er ihm ins Gesicht.
Sandford ließ langsam den Kopf auf das hart gefrorene Gras sinken. Ein Lächeln kräuselte seine Lippen, als wäre er auf das Höchste amüsiert. Er drehte den Kopf und blickte mir in die Augen.
»Glaubst du nicht, die Lady würde dir die Eier abreißen, sobald du ohne mich zurückkehrst? Sofern du natürlich welche hättest, aber ihr wird da schon etwas einfallen.«
Er wirkte erstaunlich entspannt mit einer Waffe am Schädel.
»Warum sollte ihr das so wichtig sein, dass Sie zurückkehren?«
Der Jäger presste das Metall noch etwas fester gegen Sandys Kopf.
»Weil sie vor unserer Abreise noch unser aller Rückkehr gewünscht hat und Frederick, als ihr Valet, sollte am besten wissen, warum man die Wünsche der hohen Herrschaften zu befolgen hat.«
Er hatte Recht. Sie würde mir etwas abreißen, egal was, käme ich ohne Tochter und auch gleich ohne Kopfgeldjäger zurück. Sofern Eirwyn sich gegen eine Heimreise entschied, brauchte ich meiner Lady gar nicht wieder
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