GLÄSERN (German Edition)
Duell, Sandford!«
Giniver und ich waren sprachlos. So schnell war die Situation also entgleist. Sandy straffte sich, war aber nicht weniger verwundert als wir.
»Nun, zuletzt siehst selbst du ein, dass ich wenigstens einen Funken Wahrheit von mir gegeben habe. Ich akzeptiere!«
»Lass es uns einfach hinter uns bringen«, knurrte Kieran.
Die beiden Männer eilten aus dem Raum, um ihre Revolver aus den Zimmern zu holen. Giniver und ich folgten ihnen eilig – Giniver flog beinahe hinter mir her, während ich sie am Handgelenk mit mir zerrte. Während sie die Stufen zum Garten hinabsprangen, fragte ich mich, wie viel von dem Wein, der den ganzen Abend geflossen war, Kierans Entscheidung beeinflusst hatte.
Sie setzten bereits kurz und knapp die Regeln fest, während wir uns noch einen geeigneten Platz suchten, und stellten sich zwischen den Buchsbaumfiguren einige Schritte entfernt in Position. Die Medusa und die griechische Hindin schienen die beiden Duellanten neugierig und gleichzeitig gleichgültig aus ihren runden Augen zu beobachten. Ich versuchte Kieran mit stechenden Blicken zur Vernunft zu bringen, damit er keine Dummheit beging. Doch er ignorierte mich so offensichtlich, dass ich mir wie ein bockiges Kind vorkam. Das stählerne Grau des harten Winterbodens traf auf das kühle Blau des Mondlichts und alles wirkte wie ein Alb in einem von Tennysons Schauergedichten.
Durch einer Geister Welt schien ich zu wandeln,
und fühlt´ mich selbst als Schatten eines Traums.
Ebenso wie Lord Tennysons Prinzessin fühlte auch ich mich unwirklich. Dieser Welt nicht zugehörig, wie ein Fremdkörper, der abgestoßen werden musste und dem nur das blieb, was er auch selbst war – die Gesellschaft von besonderen Menschen, von jenen, die anders waren. So wie meine Herrin.
Die Nachtluft vibrierte beinahe von dem Hass, der sich von den beiden entlud.
»Möchtest du dir nicht zuerst noch die Brauen etwas lichten, damit du wenigstens mit hellem Blick stirbst?«, rief ihm Kieran zu und grinste abfällig.
»Dir empfehle ich, doch ein wenig Luft aus deinem Ego zu lassen. Sonst zerfetzt dich meine Kugel in kleine Stücke, wie den aufgeblasenen Frosch, der du bist.« Kierans Lächeln verschwand, und auch Lord Sandy war, trotz seiner nicht ganz unlustigen Worte, ernst.
»Hoffentlich konntest du diese letzte halblustige Aussage genießen. Du wirst sterben, Sandford. Und davor verschont dich weder dein Titel noch dein Speckwanst.«
Die Stirn des Lords warf gefährlich steile Falten. Seine Augen verengten sich zu grauen Schlitzen, die Brauen senkten sich wie Schatten auf sein Gesicht. Das Maß war nun offensichtlich voll. Ich sog scharf den Atem durch die Zähne. Selbst die klirrende Kälte schaffte es nicht, mir mehr Schauer über den Rücken zu jagen, als die beiden Duellanten im Mondlicht, die gerade ihre Pistolen hoben. Der Jäger stand kurz davor, Eirwyn zur trauernden Hinterbliebenen zu machen. Trotz seiner unzählig vielen unsympathischen Seiten war er jedoch irgendwo mein Freund. Mir blieb nur eines. Entschlossen trat ich auf Sandy zu. (Ich weiß, verehrter Leser, du hast erwartet, dass ich meine Augen feige mit den Händen bedecken würde. Hier muss ich dich ausnahmsweise und, ebenso zu meiner Überraschung wie zu deiner, enttäuschen. Verzeih.)
»Sprechen Sie mit Eirwyn, überzeugen Sie sie, dass sie gebraucht wird, zu Hause. Ich bin sicher, sie wird …«
»Eirwyn bleibt hier!«, sagte Kieran mit fester Stimme.
Der Lord sah mich aus den Augenwinkeln kommen, behielt Kieran jedoch fest im Blick.
»Jaja, das haben wir schon längst hinter uns, Jäger. Wir sind schon etwas weiter in diesem Humbug, der hier stattfindet«, sagte er, ohne die Pistole zu senken. Jedoch zitterte die schwere Waffe inzwischen in seiner Hand.
»Sie sieht offensichtlich nicht so klar, wie sie sollte, doch dafür bin ich ja bei ihr. Um sie vor solchen Gefahren zu schützen«, zischte Kieran.
Sandy schüttelte genervt den Kopf. »Dann fahr von mir aus mit diesen letzten Wirrnissen im Kopf unter die Erde. Leb wohl!« Der Lord mit dem blauschwarzen Bart drückte ab. Es war totenstill im Garten. Überrascht blickten sich alle an. Kieran an sich hinab, Sandy ebenfalls. Ich abwechselnd auf beide. Giniver, mit vor den Mund geschlagenen Händen, auf mich. Keiner fiel auf die Knie, kein Blut spritzte auf den Frost. Sandy sah seine Waffe an, auf der meine Hand lag. Ich hatte den Lauf zur Seite geschoben, sodass die Kugel irgendwo in der Dunkelheit
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