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GLÄSERN (German Edition)

GLÄSERN (German Edition)

Titel: GLÄSERN (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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nicht hätte entgehen dürfen. Jede Handlung, jeden Moment rief ich mir ins Gedächtnis. Aber sie hatte sich nicht ungewöhnlich benommen oder war mir gar unglücklich erschienen. Außer, dass sie mich nicht gebeten hatte, sie zu Bett zu bringen. Wobei ich erneut auf meine Schuld verwiesen wurde, denn ich war nicht gerade ein geselliger Freund gewesen. Ich dachte an die pinke Haarsträhne, die ich am Morgen unter dem Kissen hervorspitzen gesehen hatte. Ich ging langsam nach oben in unser Zimmer. Ich wühlte in den Kissen, doch keine Spur von ihr. Unschlüssig stand ich da, nutzlos.
    Langsam ließ ich mich auf allen Vieren nieder und sah unter das Bett. Dort hing sie, zwischen Matratze und Bettgestell: das einzig Persönliche, was überhaupt daran erinnerte, dass sie einst bei mir gewesen war. Hass füllte mich gänzlich aus, durchspülte mich wie eine gallertartige, bittere Welle. Auf mich selbst und meine Engstirnigkeit. Ich ließ die lange Strähne durch meine Finger gleiten. Es war nur gerecht, dass mir nun das Herz brach.

    Schnee wie Puderzucker wehte uns als glitzernder Winterhauch durch das Haar, als wir am nächsten Mittag die Kutschen beluden. Er führte kleine Blätter mit sich, Fragmente der immergrünen Büsche in ihren grotesken und heroischen Gestalten. Im Gegensatz zu dem sterilen Weiß des neuen Schnees loderten in uns allen wilde Gefühle, wie in einem offenen Buch. Die kurze Nacht war für mich pure Folter gewesen, nicht einen Moment hatte ich meine zitternden Lider schließen können. Das erbarmungslose Schnarchen des Lords nebenan hatte sein Übriges dazu beigetragen. Kierans Stöhnen, diesmal aus einem weitaus weniger amourösen Grund, war ebenfalls wunderbar durch die Wände zu hören gewesen.
    Hier standen wir nun, verzerrte Versionen unseres Selbst vor Schmerz und Unmut über allerlei Erlebtes. Eirwyn runzelte vor Sorge über Kierans Gesundheitszustand die feine Stirn. Ich starrte, vor Unglauben darüber, dass von meiner Seelenpartnerin jegliche Spur zu fehlen schien, vor mich hin. Vor allem schien ich der Einzige zu sein, der ihr Verschwinden überhaupt großartig zur Kenntnis nahm. Zugegeben, sie war wirklich introvertiert und still wie ein Gemälde gewesen, dennoch schienen mir die Anwesenden, außer Kieran, doch seltsam unaufgeregt. Der Jäger erkundigte sich mehrmals nach ihrem Verbleib und wollte ohne sie nur schweren Herzens aufbrechen. Dennoch, der Morgen war endlich angebrochen und Eirwyn hatte sich entschlossen, ihrem Vater beizustehen in seiner Krankheit. So sehr sich mein Bauchgefühl im negativen Sinn auch bemerkbar machte, ich konnte und wollte nicht gegen den Wunsch der Grafentochter an.
    Als wäre das Beladen der Kutsche unter den Umständen nicht schon schwer genug gefallen, so ging auch endlich der große Spiegel zu Bruch, als zwei Servants ihn unter Mithilfe von Lord Sandy in die Gepäckkutsche hieven wollten. Ich bedeckte meine Augen und knirschte, angesichts des grauenvollen Knackens, mit den Zähnen. Die Servants zeigten sich so reumütig, wie es angemessen war. Sandford hingegen wirkte leidlich betreten, und als er wenige Augenblicke später mit seinen beiden speckigen Koffern erneut in den Garten trat, warf er sein Gepäck schwungvoll hinein. Ohne Aufforderung half er dem Jäger auf eine der Sitzbänke, damit dieser sich mit Decken gegen die winterliche Kühle und sein geschundenes Skelett vor etwaigen Stößen schützen konnte. Eirwyn hielt sich distanziert stets einige Meter von ihm fern. Ebenso wie mir, traute sie dem großen Mann mit dem bläulich schimmernden Bart nicht sonderlich über den Weg. Der Lord erbot sich, meinen kaputten Spiegel im Haus zu deponieren, damit er später repariert, oder, im schlimmsten Falle, entsorgt werden könnte. Außerdem hätte er noch ein Gepäckstück zu holen. Einige Zeit später kam er endlich zurück und lud seinen ledernen Ekelsack in die Kutsche. Das unförmige, speckige Reisestück schob er unter die Sitzbank, damit wir alle unsere Füße darauf abstellen konnten. Wir alle trugen warme, bequeme Kleidung und ich musste erneut an Ginivers Lackkleid denken und ihren dicken Mantel. Letzteren wand ich um meine Beine. Zurückgelassen hatte ich nicht eines ihrer Gepäckstücke. Ich selbst hatte mich für eine Nadelstreifenkombination mit ornamentverzierten Hosenträgern entschieden. An eine der maßgeschneiderten Westen wagte ich mich aufgrund meiner schmerzenden Rippen noch nicht. Zu meiner angenehmen Überraschung ließ Kieran

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