GLÄSERN (German Edition)
Eirwyn sah immer noch betreten auf ihre Hände und beschloss, nicht zu reagieren.
»Was ist denn nun? Wir haben doch lediglich über die Bäume …«
»Die einzigen Worte, die ich noch aus deinem Mund zu hören bevorzuge, bis wir angekommen sind, wären dann ›Ja, Sir‹ beziehungsweise ›Ja, Madame‹. Alles verstanden?«, unterbrach er mich.
Mir blieb im wahrsten Sinne die Spucke weg, die ich ihm nur zu gern ins Gesicht gespien hätte.
»Hoppla.« Mehr fiel mir partout nicht dazu ein. Was für ein Choleriker.
»›Sehr gern, Sir‹, ließe ich auch noch gelten.« Er hatte die Augen wieder geschlossen, und bevor ich ihn einen Hurenbock schimpfen konnte, war er weggedöst. Eirwyn und ich beschlossen, bis an unser Ziel zu schweigen. Allzu einfach sollte dies allerdings nicht werden.
Trotz fortgeschrittener Stunde hüteten wir uns, zwischen den Bäumen dieses deutschen Waldes zu rasten. Stattdessen wickelten wir uns in die dicken Fellmäntel und betteten unsere Füße bequem auf Lord Sandfords Reisesack, um etwas zur Ruhe zu kommen. Ich hatte genügend Zeit, um über alles nachzudenken. Scheinbar wollte Eirwyn tatsächlich einen solchen Mann wie diesen grantigen Zyniker Kieran heiraten. Jedoch hoffte ich, dass Graf Hektor, sobald er wieder bei Verstand und Kräften wäre, dies verhinderte, und sie ihn sich höchstens als funktionierenden Liebhaber halten könnte.
Es ist ja allgemein bekannt, dass das schlichtere Gemüt in fleischlichen Dingen einen gewissen Vorteil hat. Sie sind der Natur hierbei eben näher als der etwas intelligentere Anteil der Menschheit, zu dem zweifellos Eirwyn gehörte.
Immer wieder landeten meine Gedanken bei meiner Seelenfreundin, die niemand so recht zu vermissen schien, der niemand so recht hinterher trauerte, obwohl ich wusste, wie sehr sie alle sie geliebt und ihren Großmut geschätzt hatten! Wie schäbig doch Liebe ist …
Wenig später allerdings hielt ich den Kutscher doch um eine kurze Pause an, da sich das Ziehen in meinen Leisten, welches mich hartnäckig zum Austreten aufforderte, nicht mehr länger ignorieren ließ, als ich erneut das Glitzern des schweren Spiegels in den Ästen weit über uns bemerkte. Ich ignorierte Kierans wenig entzückten Augenaufschlag und seine Kommentare bezüglich der Blase eines Prinzesschens, stieg aus und zeigte Eirwyn das seltsame Schmuckstück. Wir liebäugelten zwar beide offensichtlich damit, dennoch machte keiner der Kutscher Anstalten, sich für uns hinauf in die morschen, dunklen Äste zu schwingen. Selbstständig denkendes Personal ist wahrlich rar.
»Es wäre doch schade um meinen Anzug, wenn ich ihn mir eines Spiegels zuliebe ruinieren würde. Und wenn er noch so hübsch ist …«, merkte ich an und schwang energisch den sprichwörtlichen Zaunpfahl.
Ich schielte zu den beiden Männern, doch keiner rührte sich; ja, sie sahen sogar unbeteiligt auf ihre Fußspitzen. Also versuchte ich es etwas direkter.
»Sie oder Sie«, ich deutete nacheinander auf jeden der beiden, »klettern jetzt dort hinauf und holen diesen Spiegel. Bitte.«
Ich fluchte leise, als sie sich nicht bewegten, und versuchte mit aller Macht, Kierans schwaches Kichern aus der Kutsche zu ignorieren. Sogar Lord Sandford sah mich mit müdem Blick an. Eirwyn warf ihm einen warnenden Blick über die Schulter zu. Endlich regte sich wenigstens einer unserer Kutscher und platzierte seinen Hintern auf dem harten Kutschbock neu.
»Aber sicher, damit wir uns für einen albernen Haushaltsgegenstand den Hals brechen …«, murrte er und verschränkte ablehnend die Arme vor der Brust.
Ich straffte mich, bemühte mich um eine autoritäre Körperhaltung. »Jedenfalls besser Sie als ich, oder? Eine Kutsche lenken können wir schließlich auch selbst.«
Er funkelte mich erbost an, erbarmte sich aber, das Schmuckstück aus dem Gewirr aus Ästen zu befreien. Lord Sandy war natürlich dagegen. »Ein Klunker mehr, der auf der Fahrt Schaden tragen kann«, murrte er. »Sicherlich wird er die Kutsche noch zusätzlich beschweren.«
Ich erinnerte ihn mit der energischen Freundlichkeit, die mir zu eigen war, dass man bei der Abfahrt meinen eigenen ja zerschlagen hätte und er noch sein verwanztes Gepäck darauf platziert hatte. Wonach eigentlich er seinen feisten Hals riskieren sollte, was ja das Mindeste wäre. Er schwieg und blickte mir stur in die Augen. Heldenhaft warf mir der Kutscher inzwischen seinen schweren Umhang zu, wobei er mich schmerzhaft mit den dicken Manschettenknöpfen
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