GLÄSERN (German Edition)
seinen langen Ledermantel zurück und steckte stattdessen zwar in seiner Lederhose und seinem langärmeligen Hemd, jedoch trug er einen wollenen Gehrock. Das dicke Tuch hatte er diesmal um seinen Hals gewunden und er kam mir so weniger wie ein Räuberhauptmann vor. Meine Schöne hielt sich an die klassische Reisebekleidung der Damen, zu deren Ensemble ein bodenlanges Kleid mit dicken schwarzen und roten Streifen, ein passendes Jackett mit Fellbesatz, ihr Muff, lederne rote Handschuhe und fellbesetzte Schnürstiefel gehörten. Das lange nachtschwarze Haar hatte sie mit drei dünnen roten Haarbändern gebändigt, nur an einer Schläfe rollte sich eine kinnlange Locke und wippte spielerisch in ihrem Gesicht umher. Lord Sandy hatte kleidungstechnisch weitaus mehr Mühen gescheut als wir und erschien in seiner einfachen groben Kleidung.
Da die Kutsche eigentlich etwas zu eng war für uns vier, und zwei stattliche Männer definitiv einer zu viel, stieg der Lord zu dem Kutscher hinauf, der die Gepäckstücke transportierte. Ich war, wie meine Reisegefährten, äußerst zufrieden über diese Distanz.
Vor dem Gut hatten die sieben Bediensteten in ihren schwarz-weißen Trachten Stellung bezogen und umringten die flache Treppe. Die vier Maid Servants legten die Hände vor dem Bauch wie Schalen ineinander und die drei männlichen Bediensteten standen mit im Rücken verschränkten Armen zwischen ihnen. Die Kutschen wendeten und wir winkten dem Hausstand zum Abschied zu. Einige Damen wischten sich verstohlen Tränen des Bedauerns aus den Augenwinkeln. Sarastro trabte seiner Herrin noch ein Weilchen hinterher, die nach einiger ernsthafter Überlegung und standhafter Ablehnung von Kieran doch auf das große Kuscheltier verzichtet hatte. Bei der Anfahrt ging ein starker Ruck durch unsere Körper. Grausam erinnerte mich mein Magen an jedes einzelne Glas Whiskey, dem ich an jenem Morgen auf meinen schweren Verlust nochmals heimlich in der Küche zugesprochen hatte. Zudem der Traum, der doch seine Spuren in meinem Hirn hinterlassen hatte. Ich versuchte, durch gepresstes Ausatmen der aufsteigenden Übelkeit entgegenzuwirken. Es ist zwar klar, dass man mit Alkohol keiner seiner Sorgen entkommt, doch ohne ist es ebenso wenig möglich.
Es war eine ausgesprochen holperige Fahrt, besonders Kierans malträtierter Leib wurde auf eine harte Probe gestellt. Die Rappen rasten ohne Rücksicht auf Verluste und Umwelt durch die Ländereien, mehr als einmal verfluchten uns Wanderer und Händler auf äußerst unflätige Weise. Eirwyn streichelte Kieran immerzu und so raubte er uns wenigstens nicht den letzten Nerv mit seinem Gejammer. Als wir den seltsamen Wald durchquerten, der unsere Fahrt mehr als eine Woche zuvor hartnäckig zu boykottieren versucht hatte, fragte ich Eirwyn, ob sie etwas über das eifrige Wachstum von Moos wüsste.
Sie überlegte eine Weile, ehe sie sagte: »Vielleicht. Die Dorfbewohner hier sprechen nicht sonderlich viel mit mir, geschweige denn, dass sie sich meines Namen entsinnen möchten. Jedoch sagen sie hier, in diesem Wald seien Mächte am Werk, die all das Furchtbare vorhersehen, was einem auf seiner Reise zustoßen soll und die Reisenden davon abhalten wollen, aufzubrechen.«
»Und deshalb hat er versucht, uns bei sich zu behalten, damit wir vor all diesem Wahnsinn hier verschont bleiben. Sehr selbstlos«, meinte ich bitter.
»Eine sehr gewagte These, in der Tat«, sagte sie und blickte auf die vorbeiziehende Winterlandschaft.
»Ich hingegen bevorzuge ebenfalls ganz ordinäres Gehölz, aber bei all den Legenden und Dorfgeschichten heutzutage … da muss man wohl ab und an in den sauren Apfel beißen und sich dieses Geplänkel anhören. Hoppla. Verzeih die dumme Anspielung.« Ich konnte mir nicht verkneifen, etwas zu sticheln.
Sie starrte betreten auf ihre Hände in ihrem Schoß.
Wir philosophierten noch ein wenig halbherzig über die grünen Fänge des Waldes, ihre etwaige Aufgabe auf dieser eigenartigen Welt, und ich machte keinen Hehl aus meiner Trauer, dass sie alle meine Giniver so einfach, wo auch immer, zurückgelassen hatten. Dennoch genoss ich den gequälten Gesichtsausdruck des Jägers bei jeder harten Bodenwelle. Er öffnete langsam die Augen einen Spalt und sah mich an. Sofort wischte ich das schadenfrohe Lächeln aus meinem Gesicht.
»Tu mir einen Gefallen, Fred«, sagte er leise mit müder Stimme. »Sei mal wieder ein braver Bediensteter und halt die Klappe, ja?«
Ich blickte ihn überrascht an.
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