Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Damastblumen an Vollkommenheit.
Beim Diner war der Baron im Staunen an der Reihe, als er Asiens Küche kostete. »Ich verschdehe,« sagte er, »weshalb Sie sie Aßien nennen: es ist aine aßiatische Güche.« »Ah, ich fange an zu glauben, daß er mich liebt,« sagte Esther zu Europa, »er hat beinahe so etwas wie einen Witz gemacht.« »Es wird mehr davon geben,« bemerkte er.
Das Essen war so gewürzt, daß der Baron sich den Magen verderben mußte; er sollte früh nach Hause gehen. Daher war denn dies auch alles, was er an Genüssen von seinem ersten Zusammensein mit Esther davontrug. Im Theater sah er sich gezwungen, eine unendliche Anzahl von Gläsern voll Zuckerwasser zu trinken und Esther in den Zwischenakten allein zu lassen. Durch ein Zusammentreffen, das zu leicht vorherzusagen war, um es einen Zufall zu nennen, waren an jenem Tage auch Mariette, Tullia und Frau du Val-Noble im Theater. ›Richard Darlington‹ war einer jener wahnsinnigen und übrigens verdienten Erfolge, wie man sie nur in Paris erlebt. Alle Männer kamen, wenn sie dieses Drama sahen, auf den Gedanken, man könnte seine eheliche Frau zum Fenster hinauswerfen, und alle Frauen sahen sich gern ungerechterweise unterdrückt. Die Frauen sagten sich: »Das ist zu stark! Wir werden nur gestoßen ... aber es geht uns oft so! ...«
Nun konnte ein Geschöpf von Esthers Schönheit und in Esthers Kleidung nicht ungestraft im Proszenium der Porte Saint-Martin glänzen; und schon im zweiten Akt fand in der Loge der beiden Tänzerinnen eine Art Revolution statt, veranlaßt durch die Feststellung der Identität der schönen Unbekannten mit der Torpille. »Ah! woher kommt die?« fragte Mariette Frau du Val-Noble; »ich glaubte, sie wäre ertrunken...« »Ist sie es? Sie scheint mir siebenunddreißigmal jünger und schöner als vor sechs Jahren.« »Sie hat sich vielleicht wie Frau d'Espard und Frau Zayonchek in Eis konserviert,« sagte der Graf von Brambourg, der die drei Frauen ins Schauspiel geführt hatte, und zwar in eine Parterreloge. »Ist das nicht die Ratte, die Sie mir schicken wollten, damit sie meinen Onkel einbalsamierte?« fragte er, indem er sich an Tullia wandte. »Ganz recht,« versetzte die Sängerin. »Du Bruel, gehen Sie doch ins Orchester und sehen Sie zu, ob sie es wirklich ist.« »Hält die die Nase hoch!« rief Frau du Val-Noble mit einer wundervollen Redensart aus dem Wortschatz der Dirnen. »Oh,« rief der Graf von Brambourg, »sie hat das Recht dazu, denn sie ist bei meinem Freund, dem Baron von Nucingen. Ich gehe hin ...« »Sollte das die angebliche Jungfrau von Orleans sein, die Nucingen erobert hat und mit der man uns seit drei Monaten langweilt? ...« fragte Mariette.
»Guten Abend, mein lieber Baron,« sagte Philipp Bridau, als er in Nucingens Loge trat. »Sie sind also mit Fräulein Esther vermählt? ... Gnädiges Fräulein, ich bin ein armer Offizier, den Sie ehedem in Issoudun aus einer Klemme ziehen sollten ... Philipp Bridau ...« »Kenn ich nicht,« sagte Esther, indem sie ihr Glas in den Saal richtete. »Das knädige Fräulein«, bemerkte der Baron, »haißt nicht mehr einfach Esder: sie haißt Frau von Chamby; das ist ain glaines Kut, das ich ihr kekauft habe ...« »Wenn Sie die Dinge auch recht gut machen,« sagte der Graf, »so behaupten die Damen dort doch, Frau von Champy trage die Nase zu hoch ... Wenn Sie sich meiner nicht entsinnen wollen, so werden Sie vielleicht geruhen, Mariette, Tullia, Frau du Val-Noble wiederzuerkennen,« fügte dieser Emporkömmling hinzu, dem der Herzog von Maufrigneuse die Gunst des Dauphins verschafft hatte.
»Wenn die Damen gut zu mir sind, so bin ich geneigt, mich ihnen sehr angenehm zu zeigen,« erwiderte Frau von Champy trocken. »Gut!« sagte Philipp; »sie sind ausgezeichnet, sie nennen Sie die Jungfrau von Orleans.« »Kut, wenn diese Damen Ihnen Kesellschaft leisten wollen,« sagte Nucingen, »so werde ich Sie allain lassen, denn ich habe ßuviel kekessen. Ihr Wagen wird Sie mit Ihren Leiten abholen... Die verdammte Aßien!« »Zum erstenmal wollten Sie mich allein lassen?« fragte Esther. »Hören Sie! Man muß an Bord zu sterben verstehen. Ich brauche meinen Mann beim Ausgang. Wenn ich beleidigt würde, so müßte ich also umsonst schreien?«
Der Egoismus des alten Millionärs mußte vor den Verpflichtungen des Liebhabers weichen. Der Baron litt und blieb. Esther hatte ihre Gründe, wenn sie ›ihren Mann‹ dabehalten wollte. Wenn sie ihre alten Bekanntschaften
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