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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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machen kann. Wenn ein Spekulant Selbstmord begeht, wenn ein Verschwender mit seinem Geldsack am Ende ist, dann stürzen solche Frauen mit erschreckender Plötzlichkeit aus schamlosem Wohlstand in tiefes Elend. Sie werfen sich dann der Kleiderhändlerin in die Arme; sie verkaufen wundervolle Juwelen zu Schleuderpreisen, und sie machen Schulden; vor allem, um den Scheinluxus aufrechtzuerhalten, der ihnen erlaubt, wiederzufinden, was sie verloren haben: eine Kasse, aus der sie schöpfen können. Dieses Hinauf und Hinab ihres Lebens erklärt es, daß die Verbindungen, die in Wirklichkeit fast immer eingefädelt werden, wie Asien Nucingen und Esther zusammengehakt hatte – das ist ein Wort aus dem Sprachschatz –, so teuer sind. Daher weiß auch jeder, der sein Paris gut kennt, ganz genau, woran er sich zu halten hat, wenn er auf den Champs Elysées, diesem beweglichen und tobenden Basar, eine Frau im Mietswagen wiedersieht, nachdem er sie ein Jahr, einen Monat zuvor noch in einer Equipage gesehen hat, blendend vor Luxus und im schönsten Aufputz. »Wenn man beim Gefängnis stürzt, so muß man es verstehen, im Bois de Boulogne wieder aufzuspringen,« sagte Florine, als sie mit Blondet über den kleinen Vicomte von Portenduere lachte. Ein paar geschickte Frauen setzen sich diesem Kontrast niemals aus. Sie bleiben in scheußliche Logierhäuser vergraben, wo sie ihre Vergeudung durch Entbehrungen büßen, wie sie die Reisenden ertragen, die in irgendeiner Sahara verirrt sind,»aber darum kommt ihnen doch nicht die geringste Anwandlung der Sparsamkeit. Sie wagen sich auf die Maskenbälle, sie unternehmen eine Reise ln die Provinz, sie zeigen sich an schönen Tagen gut gekleidet auf den Boulevards. Übrigens finden sie untereinander jene Hilfsbereitschaft, die die geächteten Klassen sich selbst bezeigen. Die Hilfe, die sie leisten soll, kostet eine glückliche Frau so wenig, und sie sagt sich im Innern: ›Sonntag bin ich auch so weit!‹ Der wirksamste Schutz aber ist der der Kleiderhändlerin. Wenn diese Wucherin Gläubigerin geworden ist, so durchstöbert und durchwühlt sie alle Greisenherzen zugunsten ihrer Hypothek in Stiefeln und Hut. Frau du Val-Noble, die außerstande gewesen war, den Zusammenbruch eines der reichsten und geschicktesten Wechselmakler vorauszusehen, wurde also in voller Unordnung überrumpelt. Sie verbrauchte das Geld Falleix' für ihre Launen und verließ sich in nützlichen Dingen und hinsichtlich ihrer Zukunft ganz auf ihn. »Wie sollte man«, sagte sie zu Mariette, »das von einem Menschen erwarten, der ein so guter Junge zu sein schien!« In fast allen Gesellschaftsklassen ist der ›gute Junge‹ ein Mensch, der nicht engherzig ist, der hier und da ein paar Taler leiht, ohne sie zurückzuverlangen, und der sich außerhalb der gemeinen, anerkannten und gangbaren Moral nach den Regeln eines gewissen Zartgefühls richtet. Manche ähnlich wie Nucingen scheinbar tugendhafte und redliche Leute haben ihre Wohltäter zugrunde gerichtet; und manche Leute, die schon vor dem Zuchtpolizeigericht gestanden haben, sind von geschickter Redlichkeit gegenüber der Frau. Die vollkommene Tugend, Molières Traum, Alkest, ist äußerst selten; man trifft sie jedoch überall, selbst in Paris. Der ›gute Junge‹ ist das Produkt einer gewissen Anmut des Charakters, die nichts beweist. Ein Mann ist ebenso wie eine Katze schmeichlerisch, genau so wie ein Pantoffel dazu geschaffen ist, auf den Fuß zu passen. Nach dem Sinn, den das Wort ›guter Junge‹ bei ausgehaltenen Frauen hat, mußte Falleix seine Geliebte also vor seinem Fallissement warnen und ihr genug geben, damit sie leben konnte. D'Estourny, der galante Gauner, war ein guter Junge: er betrog beim Spiel, aber für seine Geliebte hatte er dreißigtausend Franken beiseitegebracht. Deshalb antworteten bei den Karnevalsoupers die Frauen seinen Anklägern: ›Das ist gleich! ... Sie mögen noch so viel reden, Georg war ein guter Junge, er hatte gute Manieren und verdiente ein besseres Los!‹ Die Dirnen machen sich über die Gesetze lustig, sie beten ein gewisses Feingefühl an; sie verstehen, sich wie Esther für ein geheimes Schönheitsideal, das ihre Religion ist, zu verkaufen. Nachdem Frau du Val-Noble mit Mühe ein paar Juwelen aus dem Schiffbruch gerettet hatte, warf die furchtbare Last dieser Anklage sie zu Boden: ›Sie hat Falleix ruiniert!‹ Sie war fast dreißig Jahre alt, und obwohl sie in der vollen Entwicklung ihrer Schönheit stand, konnte sie

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