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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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empfing, konnte man sie in Gesellschaft nicht so ernstlich ausfragen, wie wenn sie allein war. Philipp Bridau beeilte sich, in die Loge der Tänzerinnen zurückzukehren und sie über den Stand der Dinge aufzuklären.
    »Ah, sie erbt mein Haus in der Rue Saint-Georges!« sagte Frau du Val-Noble bitter zum Obersten; denn sie war, wie man sich in der Sprache dieser Frauen ausdrückt ›zu Fuß‹. »Wahrscheinlich,« erwiderte er. »Du Tillet hat mir gesagt, er habe dort dreimal soviel ausgegeben wie Ihr armer Falleix.« »Wir wollen sie doch besuchen,« sagte Tullia. »Meiner Treu, nein!« erwiderte Mariette, »sie ist zu hübsch; ich werde sie in ihrem Hause besuchen.« »Ich finde mich hübsch genug, um es zu wagen,« sagte Tullia.
    Der verwegene erste Besuch kam also während des Zwischenakts und knüpfte die Bekanntschaft mit Esther wieder an. Esther hielt sich in Allgemeinheiten. »Woher kommst du zurück, mein liebes Kind?« fragte die Tänzerin, die sich vor Neugier nicht mehr halten konnte. »Oh, ich habe fünf Jahre lang mit einem Engländer, der eifersüchtig ist wie ein Tiger, einem Nabob, [Fußnote: Im Sinne eines in Indien reich gewordenen Engländers.] in einem Schloß in den Alpen gelebt; ich nannte ihn immer ›den Knirps‹, denn er war nicht so groß wie der Schultheiß von Pfirt. Jetzt bin ich wieder an einen Bankier geraten, vom Regen in die Traufe. Und da ich wieder in Paris bin, habe ich solche Lust mich zu amüsieren, daß ich mir einen wahren Karneval leisten will. Ich werde offenes Haus halten. Ach, ich muß mich von fünf Jahren der Einsamkeit erholen, und ich beginne das Verlorene einzubringen. Fünf Jahre bei einem Engländer, das ist zuviel; nach dem Wochenblatt sind sechs Wochen genug.« »Hat der Baron dir diese Spitze geschenkt?« »Nein, das ist ein Rest vom Nabob ... Habe ich ein Unglück, meine Liebe! Er war gelb wie das Lächeln eines Freundes vor einem Erfolg. Ich glaubte, er würde in zehn Monaten sterben. Bah, er war stark wie ein Berg. Man muß allen mißtrauen, die sich als leberkrank ausgeben... Von Leber will ich nichts mehr hören. Dieser Nabob hat mich bestohlen, er starb, ohne ein Testament gemacht zu haben, und die Familie hat mich vor die Tür gesetzt, als hätte ich die Pest. Deshalb habe ich auch dem Dicken da gesagt: Bezahle für zwei! Sie haben ganz recht, mich eine Jungfrau von Orleans zu nennen, ich habe England zugrunde gerichtet, und ich werde vielleicht verbrannt...« »Von Liebe?« fragte Tullia. »Und bei lebendigem Leibe!« erwiderte Esther, die dieses Wort träumerisch machte.
    Der Baron lachte über all diese stark gesalzenen Albernheiten, aber er verstand sie nicht immer gleich, so daß sein Lachen jenen vergessenen Raketen glich, die nach einem Feuerwerk aufsteigen.
    Wir leben alle in irgendeiner Sphäre, und die Bewohner aller Sphären sind mit der gleichen Dosis von Neugier begabt. Am folgenden Tage war das Abenteuer von der Rückkehr Esthers in der Oper Kulissenneuigkeit. Mittags zwischen zwei und vier Uhr hatte das ganze Paris der Champs Elysées die Torpille wiedererkannt, und endlich wußte man, welches der Gegenstand der Leidenschaft des Barons von Nucingen war. »Wissen Sie,« fragte Blondet im Foyer der Oper de Marsay, »daß die Torpille am Morgen nach dem Tage, an dem wir sie hier als die Geliebte des kleinen Rubempré erkannt hatten, verschwunden war?«
    In Paris erfährt man wie in der Provinz alles. Die Polizei der Rue de Jérusalem ist nicht so gut organisiert wie die der Gesellschaft, in der jeder den andern belauert, ohne es zu wissen. Daher hatte Carlos auch genau erraten, wie gefährlich Luciens Lage während und nach der Zeit in der Rue Taitbout gewesen war.
    Es gibt keine grauenhaftere Situation als die, in der Frau du Val-Noble sich befand, und das Wort ›zu Fuß sein‹ gibt sie wunderbar wieder. Gleichgültigkeit und Verschwendungssucht hindern diese Frauen, an die Zukunft zu denken. In dieser Ausnahmewelt, die viel komischer und geistvoller ist, als man glaubt, denken die Frauen, die nicht jene positive, fast unveränderliche und leicht kenntliche Schönheit besitzen, die Frauen, die man nur aus Laune lieben kann, einzig an ihr Alter und daran, sich ein Vermögen zu erwerben. Je schöner sie sind, um so weniger denken sie voraus. »Du hast also Angst, daß du häßlich wirst, da du dir ein Vermögen hinlegst?« Das ist ein Wort Florines, das sie zu Mariette sagte und das eine der Ursachen dieser Verschwendungssucht verständlich

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