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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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öffnete sich die Tür, und blendendes Licht erfüllte den Raum.

|368| 40.
    »Mrs. Demmet! Was machen Sie denn hier?« Einen Moment erschien es mir, als zeige das Gesicht von Dr. Ignacius echte Überraschung. Doch dann durchschaute ich seine Maske.
    »Ich hole meinen Sohn nach Hause!«, sagte ich so ruhig wie möglich.
    »Aber warum kommen Sie nicht am Tag?«, fragte der Arzt.
    »Warum sind Sie nicht auf dem Medizinkongress in San Francisco, wo Sie doch eigentlich gestern Abend eine Rede halten sollten?«
    »Da liegt wohl ein Missverständnis vor. Vielleicht hat man Sie falsch informiert. Der Kongress ist erst nächste Woche.«
    »Hören Sie auf mit den Spielchen, Ignacius! Ich weiß genau, was Sie vorhaben. Aber damit kommen Sie nicht durch. Ich habe einen befreundeten Anwalt gebeten, die Polizei zu informieren, sollte ich nicht zusammen mit meinem Sohn bis morgen Abend wieder in New York sein. Der wird Ihnen die Hölle heißmachen, wenn Sie versuchen, mich aufzuhalten!«
    Es war nicht zu erkennen, ob mir Dr. Ignacius den Bluff abkaufte. Er hob abwehrend die rechte Hand. »Mrs. Demmet, ich will Ihnen doch bloß helfen!«
    »Auf Ihre Hilfe kann ich verzichten! Was haben Sie mit meiner Freundin Emily gemacht? Wo ist sie?«
    »Ich habe keine Ahnung. Sie ist vorgestern gemeinsam mit Ihnen abgereist. Wissen Sie das denn nicht mehr?« |369| Die Verwirrung in seiner Stimme klang so echt, dass mich für einen Moment Zweifel befielen.
    »Mrs. Demmet, vielleicht sollten Sie sich einer Untersuchung unterziehen«, fuhr der Arzt fort. »Mir scheint, als hätte das Glanotrizyklin bei Ihnen ungewöhnlich starke Nachwirkungen ausgelöst. Das Medikament kann in seltenen Fällen Halluzinationen und paranoide Wahnvorstellungen verursachen. Bei der hohen Dosis und den … intensiven Erlebnissen, die Sie hatten, wäre das nicht überraschend. Vielleicht wäre es am besten, wenn Sie ein paar Tage hier in der Klinik …«
    »Das könnte Ihnen so passen!«, rief ich. »Gehen Sie aus dem Weg!«
    »Bitte beruhigen Sie sich doch, Mrs. Demmet! Glauben Sie mir, wir kümmern uns hier sehr gut um Ihren Sohn. Wir haben ihm lediglich ein Schlafmittel gegeben, damit er …«
    »Gehen Sie aus dem Weg, habe ich gesagt!« Ich versuchte, meiner Stimme einen drohenden Unterton zu verleihen, doch sie klang in meinen Ohren schwach und weinerlich. Ich hatte nichts, womit ich diesem Mann drohen konnte, außer meinem erfundenen Anwalt.
    »In meiner Verantwortung als behandelnder Arzt kann ich nicht zulassen, dass sie ihn in Ihrem … Zustand mitnehmen, noch dazu mitten in der Nacht!«, sagte er jetzt etwas barscher. »Wie sind Sie überhaupt in die Klinik gekommen?«
    Erst in diesem Moment fiel mir auf, dass die linke Hand des Arztes die ganze Zeit in der Tasche seines Kittels steckte. Was verbarg er dort?
    »Nehmen Sie die Hand aus dem Kittel!«
    Er hob beide Hände und lächelte dünn. »Wovor haben Sie Angst, Mrs. Demmet? Ich will Ihnen nichts tun. Ich will Ihnen nur helfen!«
    |370| Mir wurde klar, dass Reden mich nicht weiterbringen würde. Der Doktor spielte mit mir wie eine Katze mit der Maus. Er wartete vermutlich nur auf eine Gelegenheit, mir die Beruhigungsspritze zu verpassen, die er in der Kitteltasche verbarg.
    Zorn überkam mich so plötzlich und so heftig wie ein rotes Blitzlicht. Ich hatte Sumpfmonster und einäugige Riesen überwunden, da würde ich mich doch nicht von einem Weißkittel aufhalten lassen! Ein metallischer Geschmack erfüllte meinen Mund, und ich fühlte jede Faser meines Körpers. Ich barg mein Gesicht in den Händen, als müsse ich weinen, und machte einen Schritt auf den Arzt zu. Ich spürte mehr, als dass ich sah, wie seine Linke in die Kitteltasche glitt.
    Ich senkte den Kopf, machte einen Satz nach vorn und rammte ihm meinen Schädel gegen die Brust. Dr. Ignacius stieß ein überraschtes »Umpf« aus und taumelte rückwärts gegen die Tür.
    Ich schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht. Der Arzt stöhnte auf. Etwas klackerte auf den Boden. Die Spritze!
    Ich schloss meine Hände um seinen dürren Hals und drückte zu. Die Augen des Arztes traten hervor. Er öffnete den Mund, wie um zu schreien, doch es kam nur ein Röcheln daraus hervor. Seine Hände schlossen sich um meine Handgelenke, als er versuchte, sich aus meiner Umklammerung zu befreien, doch entweder war er ziemlich schwach, oder Verzweiflung und Zorn verliehen mir außergewöhnliche Kraft. Auf jeden Fall gelang es ihm nicht, meinen eisernen Griff zu lösen.
    Nach

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