Glanz
krächzte ein paar Mal unmittelbar neben dem Telefon, als wolle sie mir etwas mitteilen. Dann hörte ich das Flattern von Flügeln und danach wieder nur Rauschen und Piepen.
Ich beendete die Verbindung und rief die Liste der eingegangenen Anrufe auf. Als das Handy geklingelt hatte, war ich sicher gewesen, dass nur Emily mich um diese Zeit anrufen konnte, aber offensichtlich hatte ich mich getäuscht.
Ich sah die Nummer des Anrufers, von dem das letzte Gespräch kam. Es war nicht Emilys Nummer. Es war meine eigene.
Wie ich befürchtet hatte, waren meine Verfolger offensichtlich in der Lage, das Handynetz zu manipulieren. Tränen der Wut traten in meine Augen. Diese Schweine! Mit ihren Psychotricks versuchten sie, mich mürbe zu machen, meine Selbstzweifel zu schüren, damit ich im entscheidenden Moment nicht Herr meiner Sinne war und so reagierte, wie sie es beabsichtigten. Aber so leicht würden sie mich nicht kleinkriegen!
Erfüllt von umso größerer Entschlossenheit fuhr ich weiter.
Ein paar Kilometer hinter Worcester dirigierte mich das Navigationssystem auf die Interstate 84 Richtung Süden. |377| Kurz darauf geriet ich in einen Stau, was zu dieser frühen Stunde ungewöhnlich war. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Ich schaltete das Radio ein und erfuhr, dass die Interstate aufgrund eines LKW-Unfalls in Richtung Süden voll gesperrt war. Der Verkehr werde über eine Umleitungsstrecke abgeleitet. Ich folgte der langen Kolonne im Schritttempo von der Autobahn fahrender Autos.
Hinter der Ausfahrt hielt ein Polizist auf dem Motorrad das Fahrzeug unmittelbar vor mir an. Er bedeutete ihm, nicht den anderen Fahrzeugen weiter geradeaus zu folgen, sondern rechts Richtung Norden abzubiegen. Der Fahrer gehorchte.
Der Polizist machte mir ein Zeichen, dem Wagen vor mir zu folgen, doch ich hielt an. »Was ist denn los, Officer?«
»Die Umleitungsstrecke über den Highway 171 ist überlastet. Bitte folgen Sie der Straße Richtung Norden, bis Sie Hinweisschilder zum Highway 19 sehen. Dem folgen Sie dann nach Süden bis Stafford Springs, dann geht’s über den 32er wieder auf die Interstate.«
Es blieb mir nichts anderes übrig, als der Aufforderung Folge zu leisten. Mit einem mulmigen Gefühl folgte ich der kleinen Landstraße nach Norden. Der Wagen vor mir war bereits außer Sicht.
Die Straße führte durch bewaldete Hügel entlang eines idyllischen Sees, der im Licht der aufgehenden Sonne glitzerte. Der Rückspiegel zeigte nicht etwa eine lange Autokolonne, die mir folgte. Stattdessen glomm nur ein einzelnes Scheinwerferpaar hinter mir. Es war offensichtlich, dass meine Verfolger mich auf dieser Nebenstrecke isolieren wollten. Die Falle würde sehr bald zuschnappen.
In höchster Anspannung fuhr ich weiter. Die Straße überquerte den See auf einer niedrigen Brücke Richtung Westen und bog dann wieder nach Norden. Vor mir sah |378| ich hinter den Bäumen eine schwarze Rauchsäule aufsteigen.
Ich umrundete eine Biegung. Rechts von der Straße fiel eine Böschung steil zum Seeufer ab. Ein Auto war den Abhang hinuntergestürzt und frontal gegen einen einzelnen Baum geknallt, der direkt am Seeufer stand. Es lag auf dem Dach. Flammen leckten aus der Front.
Meine Furcht drängte mich, einfach weiterzufahren. Doch getrieben von einer Mischung aus Pflichtbewusstsein und einer seltsamen Faszination, hielt ich an. Mit zitternden Knien stieg ich aus und kletterte den Abhang hinab.
Eine Stimme in meinem Hinterkopf flüsterte unablässig, dass ich von hier verschwinden musste, solange ich es noch konnte. Dass dies die Falle war, mit der ich die ganze Zeit rechnete. Doch ich konnte nicht anders – ich musste mich dem Wagen nähern, als würde ich von unsichtbaren Schnüren dorthin gezogen.
Ich konnte plötzlich nicht mehr atmen. Es fühlte sich an, als sei mein Brustkorb in einen Schraubstock eingezwängt, den jemand unbarmherzig immer enger drehte.
Ich kniete mich auf den Boden und starrte durch die zerborstenen Scheiben.
Keine verkohlten Fratzen blickten mir entgegen. Der Wagen war leer.
Im ersten Moment war ich unsagbar erleichtert. Doch dann fragte ich mich, wo der Fahrer sein mochte. Alle Türen waren geschlossen. Ich blickte mich um, doch ich konnte niemanden sehen.
Ich zog mein Sweatshirt aus, umwickelte damit meine Hand und öffnete die Beifahrertür. Qualm schlug mir entgegen, doch ich konnte sehen, dass tatsächlich niemand im Inneren war.
|379| Verwirrt kletterte ich die Böschung wieder hinauf. In diesem
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