Glanz
stimmt, was Ihre Tante sagt, wenn sie Erics Seele tatsächlich sieht, dann ist sie vielleicht die Einzige, die ihn aus dem Koma zurückholen kann! Bitte, Sie müssen mir helfen, Maria!«
Die junge Pflegerin sah mich einen Moment lang zweifelnd an. Dann gab sie sich einen Ruck. »Also gut. Sie kommt übermorgen Abend. Aber ich kann Ihnen nicht versprechen, dass sie bereit sein wird, mit Ihnen zu reden.«
»Danke, Maria! Vielen Dank!«
In dieser Nacht hatte ich zum ersten Mal seit langem einen tiefen, erholsamen Schlaf. Doch als ich am nächsten Morgen ins Krankenhaus fuhr, kam ich mir albern und naiv vor. Hatte ich wirklich auch nur eine Sekunde lang geglaubt, Marias Tante könne mir mit ihrem esoterischen Hokuspokus helfen? Ein paar Mal war ich drauf und dran, zu Maria zu gehen und das Treffen abzusagen, aber jedes Mal war da diese kleine Stimme in meinem Hinterkopf, die mir zuflüsterte, ein Versuch könne ja schließlich nicht schaden.
Als ich Emily Morrison am folgenden Abend zum ersten Mal sah, wusste ich sofort, dass sie keine Betrügerin war und auch keine durchgeknallte Spinnerin. Sie war Anfang vierzig wie ich selbst, hochgewachsen, mit einer geraden Nase, schwarzem, streng zurückgebundenem Haar und einem ernsten Gesicht.
Ich erhob mich vom Stuhl, den ich neben Erics Bett gezogen hatte, und streckte ihr meine Hand entgegen. »Mein Name ist Anna Demmet.«
»Emily Morrison.« Sie lächelte nicht. »Ich bin mir nicht sicher, ob mein Besuch hier von irgendeinem Nutzen sein kann.« Sie sah auf meine Hand, als fürchte sie, ich könnte eine ansteckende Krankheit haben. Erst nach kurzem Zögern griff sie zu.
Etwas Merkwürdiges geschah, als unsere Hände sich berührten. Mir war, als verändere sich der Raum für einen kurzen Moment, als sei das Licht plötzlich anders. Ein seltsames Gefühl der Desorientierung überkam mich, wie man es manchmal hat, wenn man etwas in Gedanken tut und dann plötzlich nicht mehr genau weiß, was man eigentlich gerade macht und warum.
Emily Morrisons Augen weiteten sich im selben Moment, so als bekäme sie einen Schreck. Doch sie sagte nichts.
Der Augenblick verging. »Was genau kann ich für Sie tun, Mrs. Demmet?«
»Nennen Sie mich Anna, bitte.«
Ein dünnes Lächeln erschien auf ihren Lippen. »Einverstanden, wenn Sie Emily sagen.«
»Ihre Nichte hat mir erzählt, dass Sie irgendwie … Kontakt zu den Seelen der Menschen herstellen können, Emily. Sie meinte, mein Sohn sei auf der Suche nach dem Licht, könne es aber nicht finden. Ich habe mir überlegt, dass er vielleicht nicht das Licht des Jenseits sucht, sondern das Licht der Wirklichkeit! Vielleicht können wir ihn mit Ihrer Hilfe aus dem Gefängnis seines Wachkomas befreien!«
Emily musterte mich schweigend. Ihre braunen Augen konnten vermutlich genauso sanft sein wie Marias, doch jetzt hatten sie eine durchdringende Schärfe, die mich frösteln ließ. »Sie haben sich überlegt, was Ihr Sohn sucht?«, fragte sie. Ihre Stimme war ruhig, doch der Tadel darin unüberhörbar: Ich hatte mich zu weit vorgewagt, hatte voreilige Schlüsse gezogen, mir ein Urteil über Dinge erlaubt, die ich nicht verstand.
Ich erwiderte ihren Blick. »Könnte es denn nicht so sein?«
Ihr Gesichtsausdruck wurde milde. »Sie lieben Ihren Sohn so sehr, dass sie ihn um jeden Preis wiederhaben wollen, nicht wahr?«
»Allerdings. Egal, was passiert, ich werde ihn nicht aufgeben. Niemals!«
»Anna, ich weiß nicht, ob ich Ihnen helfen kann. Die Seele Ihres Sohnes lässt sich nicht herumkommandieren oder führen wie ein Ochse am Nasenring. Wenn er nicht zu Ihnen zurückwill, dann kann weder ich noch sonst irgendjemand ihn dazu zwingen!«
»Aber er will zu mir zurück«, protestierte ich. »Das weiß ich einfach! Wenn … wenn sich sein Geist irgendwie verirrt hat, dann müssen wir ihm helfen. Bitte, lassen Sie es uns wenigstens versuchen!«
»Also schön. Ich will versuchen, Kontakt mit ihm aufzunehmen.« Sie setzte sich auf Erics Bett, strich sanft über seine Wangen und seine Stirn. Dann nahm sie seine kraftlose linke Hand, legte ihre schlanken Finger darum und schloss die Augen.
Lange geschah nichts. Es gab nicht das geringste Anzeichen dafür, was hinter Emilys krausgezogener Stirn vorging. Auch Eric lag schlaff und teilnahmslos da wie immer.
Nach ein paar Minuten überkamen mich Zweifel, ob mir Emily nicht doch nur Theater vorspielte. Wie lange sollten wir denn noch hier sitzen und tatenlos zusehen? Maria erwiderte meinen
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