Glanz
verstummte. Es war nichts zu sehen außer den Steinsäulen.
Meine Nackenhaare stellten sich auf. »Hallo?«, rief ich, erhielt jedoch keine Antwort.
Nach einem Augenblick setzte ich meinen Weg fort, bemüht, meine ursprüngliche Richtung beizubehalten. Doch die Säulen erschwerten die Orientierung. Einige waren umgestürzt und blockierten den Weg, so dass ich zu Umwegen gezwungen war. Bald wusste ich nicht mehr, wohin ich stolperte.
Nach einer Weile hörte ich wieder das seltsame Rasseln. Trotz der blutigen Füße beschleunigte ich meine Schritte.
Das Rasseln erklang erneut, näher diesmal, und dann ein zweites Mal aus einer anderen Richtung rechts von mir. Das Gefühl der Bedrohung war jetzt so stark, dass mein Herz raste und ich zu keuchen begann.
Während ich weiterhastete, vernahm ich schräg vor mir ein leises Rauschen. Es war zu gleichmäßig, um vom Wind herzurühren. Es klang eher wie Meeresrauschen. Im selben Moment hörte ich wieder das Rasseln, diesmal ganz nah hinter mir.
Ich fuhr herum. Immer noch konnte ich nichts erkennen außer den Steinsäulen und einem flachen, einen halben Meter durchmessenden Felsbrocken, der drei oder vier Schritte entfernt lag. Ich entdeckte eine Reihe dunkler |52| Flecken in regelmäßigen Abständen auf dem Boden – Blut von meinen wunden Füßen. Der Felsbrocken lag genau auf dieser Spur. Doch ich konnte mich nicht erinnern, über ihn hinweggestiegen zu sein. Merkwürdig.
Ich machte einen Schritt auf den Brocken zu, um ihn genauer anzusehen. Im selben Moment erhob sich der Felsen und bewegte sich auf dünnen, spinnenartigen Beinen auf mich zu. Jetzt erkannte ich zwei dunkle Löcher an seiner Vorderseite und etwas, das wie die Mundwerkzeuge eines Insekts aussah. Das fremdartige Wesen ließ diese Auswüchse aneinanderklappern und erzeugte damit jenes rasselnde Geräusch.
Eine halbe Sekunde war ich gelähmt vor Entsetzen. Dann setzte mein Überlebensinstinkt ein und mobilisierte meine Kraftreserven. Ich spürte den Schmerz in meinen Füßen nicht mehr, als ich zwischen den Säulen hindurchrannte. Ich konnte das Klackern der Beine des Wesens auf dem Untergrund hören. Es rasselte jetzt fast ununterbrochen mit seinen Mundwerkzeugen.
Das Rasseln wurde aus unterschiedlichen Richtungen beantwortet. Rings um mich nahm ich Bewegungen wahr. Als sei die Steinwüste lebendig geworden, krochen von überall her Felsen auf mich zu. Jetzt, wo ich eines der Wesen entdeckt hatte, gaben sich die anderen offenbar keine Mühe mehr, sich verborgen zu halten.
Sie machten Jagd auf mich.
Die plumpen Tiere konnten sich offenbar nicht sehr schnell bewegen. Wären es nur wenige gewesen, hätte ich ihnen wohl entkommen können. Doch das Rasseln wurde immer lauter und kam jetzt von überall her – auch von vorn. Die Tiere hatten mich umzingelt.
Ich vergaß völlig, dass ich mich in einer Traumwelt befand. Ich rannte um mein Leben. Vor mir tauchte plötzlich |53| eines der spinnenartigen Wesen auf und blockierte den Weg zwischen zwei Säulen. Ich machte einen Satz und sprang darüber hinweg. Es schnappte mit zwei seiner dünnen Beine nach mir. Ich spürte Krallen an meinem Fuß, doch es konnte mich nicht festhalten.
Ich wusste, dass ich kaum eine Chance hatte. Dennoch hetzte ich weiter. Im Laufen riskierte ich einen Blick über die Schulter und sah mindestens drei Dutzend der lebendigen Felsen hinter mir.
Ich umrundete eine Steinsäule, und meine letzte Hoffnung zerstob. Ein paar Schritte vor mir endete der Boden an einer unregelmäßigen Abbruchkante. Das Rauschen drang aus der Tiefe herauf. Vor mir erstreckte sich bis zum Horizont ein Ozean.
Ich wandte mich um und blickte in die leeren Augenhöhlen der Felsentiere, die mich im Halbkreis umringten und langsam mit rasselnden Mundwerkzeugen näher krochen. Sie schienen zu wissen, dass ich keine Fluchtmöglichkeit mehr hatte und sie sich nicht beeilen mussten.
Erst jetzt wurde mir wieder bewusst, wo ich mich befand. Dies war nur ein Alptraum meines Sohnes. Doch ich hatte keine Ahnung, ob mir nicht tatsächlich etwas geschehen konnte, wenn mich die Tiere angriffen. Wenn ich hier starb, würde ich dann einfach aufwachen oder in der Realität einen Hirntod erleiden? Ich wollte es auf keinen Fall herausfinden.
Ich schloss die Augen und versuchte, mich in Erics Krankenzimmer zurückzuversetzen, doch das Rasseln verschwand nicht. »Emily!«, schrie ich verzweifelt. »Emily, hol mich hier raus!« Doch wenn sie mich hörte, konnte sie mir offenbar
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