Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
Vom Netzwerk:
wollen. Aber ich sage Ihnen, diese Frau will Sie nur über den Tisch ziehen! Was immer Sie tun, geben Sie ihr kein Geld!« Damit wandte er sich um und verließ mit steifen Schritten das Zimmer.
    Emily und ich sahen uns an. Sie wirkte immer noch sehr blass, doch in ihren Augen lag ein amüsiertes Glimmen. »Hüterinnen des Heiligen Sakraments vom dritten Tage. Das klingt gut. Gibt es die wirklich?«
    Ich grinste. »Keine Ahnung. Dieser aufgeblasene Schnösel! Wenn der wüsste …«
    Emily riss die Augen auf. »Du darfst auf keinen Fall jemandem erzählen, was wir hier tun! Niemand darf das wissen!«
    Ich erschrak ein wenig über die Heftigkeit ihrer Reaktion. Aber wahrscheinlich hatte sie recht. Man würde vermutlich glauben, ich hätte den Verstand verloren. Wenn mich die Ärzte untersuchten und Spuren der Droge fanden, die meinen Sohn ins Koma versetzt hatte, steckten sie mich vermutlich in eine Entzugsklinik, und Eric wäre verloren.
    Emily betrachtete mein Gesicht genauer. »Du … du siehst merkwürdig aus.«
    »Merkwürdig? Was meinst du?«
    »Irgendwie … fröhlich.«
    Ich versuchte, meine Verlegenheit mit einem Lächeln |61| zu überspielen. Wenn Emily herausfand, dass ich Erics Droge nahm, würde sie mir nicht mehr helfen, da war ich sicher. »Ich … ich weiß auch nicht. Ich freue mich irgendwie auf die … andere Welt.«
    Emily runzelte die Stirn, schien aber meine Erklärung zu akzeptieren. »Du solltest das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Das ist kein Spiel, Anna!«
    »Ich weiß.« Ich griff nach Erics und ihrer Hand. Sie schloss den Kreis.

|62| 8.
    Ich lag auf hartem, felsigem Grund. Meine Kleidung war nass, und ich zitterte vor Kälte. Zu meiner Linken rauschte das Meer. Rechts knisterte etwas. Von dort drang wohlige Wärme zu mir.
    Ich wagte kaum, die Augen zu öffnen. Doch als ich es tat, wurde ich mit einem Anblick belohnt, der mich mit unendlicher Freude erfüllte.
    Etwa drei Meter entfernt brannte ein kleines Feuer. Ein junger Mann saß daneben und starrte gedankenverloren in die Glut. Ihr warmer Widerschein spiegelte sich auf seiner Rüstung, als stünde diese ebenfalls in Flammen. Er hatte ein ebenmäßiges Gesicht mit einer geraden, aristokratisch gewölbten Nase und buschigen Augenbrauen. Sein schwarzes lockiges Haar wurde größtenteils von einem golden schimmernden Helm verdeckt, der den typischen gebogenen Kamm trug, den ich von antiken griechischen Malereien kannte. Licht und Schatten des Feuers spielten auf den ausgeprägten Muskeln seiner nackten Oberarme.
    Eric.
    Der Mann sah nicht aus wie mein Sohn, aber er musste es sein – oder besser, das Bild, das sich Eric von sich selbst gemacht hatte, von seinem Wunschselbst. Ein antiker Held. Was hätte besser zu dieser merkwürdigen Geschichte gepasst?
    Mir fiel ein, dass die meisten griechischen Heldenepen tragisch endeten. Ein Schauer überfiel mich bei dem Gedanken, doch ich verdrängte ihn rasch. Dies war keine |63| antike Sage. Dies war Erics selbstgeschaffene Welt, offensichtlich gestaltet nach dem Vorbild des Computerspiels, das er vor seinem Zusammenbruch gespielt hatte. Denn dass der junge Mann vor mir identisch war mit dem gefallenen Krieger, den ich auf Erics Monitor gesehen hatte, daran bestand kein Zweifel.
    Ich wollte aufspringen und ihm um den Hals fallen, doch als ich mich aufrichtete, überkam mich ein heftiges Schwindelgefühl. »Eric!«, rief ich.
    Er fuhr herum. Seine Augen weiteten sich. Er sprang auf, kniete vor mir nieder und beugte seinen Kopf tief herab, bis der Kamm seines Helms den Boden berührte.
    Einen Moment betrachtete ich ihn verwirrt. »Was … was machst du da?«
    Er richtete den Oberkörper auf, blieb jedoch auf den Knien. »Verzeih mir, Göttin. Ich bin nur ein einfacher Krieger und nie darin unterwiesen worden, wie ich mich gegenüber den Unsterblichen verhalten muss.«
    Ich lächelte. »Ich bin keine Göttin und auch nicht unsterblich, Eric. Mein Name ist Anna. Ich bin deine Mutter!«
    »Verzeih mir … göttliche Anna … aber mein Name ist Iason. Ich weiß, es schickt sich nicht, den Worten einer Unsterblichen zu widersprechen. Aber du wurdest hier angespült, obwohl kein Segel am Horizont zu erkennen war, so als seist du vom Himmel gefallen. Und jung und schön, wie du bist, wie könntest du gleichzeitig eine gewöhnliche Sterbliche und meine Mutter sein? Du müsstest ein Säugling gewesen sein, als du mich gebarst.«
    Ich war auf nichts von dem vorbereitet gewesen, was ich bisher in dieser

Weitere Kostenlose Bücher